Stellenwert und Vorgehensweise des chirurgischen Debridements
Werner Eisenbeiß 11 Klinik für Plastische Chirurgie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Lübeck, Deutschland
Zusammenfassung
Die Behandlung der akuten ebenso wie der chronischen Wunde beginnt unter ausreichender Analgesie bzw. Anästhesie mit der chirurgischen Wundversorgung (Debridement), um abgestorbenes bzw. zerstörtes Gewebe und ggf. vorhandene Fremdkörper als Voraussetzung zur Wundheilung und Infektionsprävention zu entfernen. Das chirurgische Vorgehen hat grundsätzlich unter OP-Bedingungen zu erfolgen, die Methode der Wahl ist der Einsatz des Skalpells.
Parallel zum Debridement müssen die Ursachen der Wundheilungsstörung beseitigt werden. Die Verbandwechsel haben je nach Situation in Verbindung mit Wundantisepsis und ggf. gezielter Antibiose zu erfolgen. Systemisch müssen der Flüssigkeitshaushalt und eine ausbalancierte Ernährung gesichert sowie ggf. eine Anämie ausgeglichen werden. Mikrobiologische Kontrollen durch Probeexzisionen sind vom klinischen Bild abhängig zu machen. Teilweise müssen die operativ behandelten und transplantierten Regionen vorübergehend ruhiggestellt und ein belastungsfähiger Wundverschluss durch freie oder gestielte Transplantate herbeigeführt werden.
Diese Vorgehensweisen werden anhand von zwei Fallbeispielen dargestellt.
Schlüsselwörter
Debridement, Zielstellung, Indikationen, Kasuistiken
Text
Einleitung
Das chirurgische Debridement wird immer erforderlich, wenn infizierte, nicht heilende und chronisch gewordene Wunden vorliegen. Eine absolute Indikation zum Debridement besteht grundsätzlich beim Vorliegen von Nekrosen [1].
Anforderungen an das Debridement und Berücksichtigung der Gesamtsituation
Ziel des chirurgischen Debridements ist die Schaffung einer sauberen, nicht belegten Wunde durch vollständige Entfernung von avitalem nekrotischem Gewebe unter ausreichender Analgesie bzw. Anästhesie. Hierdurch werden infizierte Gewebe oder Nekrosen beseitigt, die jeden physiologischen Reparaturprozess seitens des Körpers verhindern. Das chirurgische Vorgehen hat grundsätzlich unter OP-Bedingungen zu erfolgen, die Methode der Wahl ist der Einsatz des Skalpells. Nur in gesonderten Fällen, wenn keine ausreichende Anästhesie möglich ist oder andere medizinische Risiken einen chirurgischen Eingriff verbieten, kann eine autolytische Behandlung durchgeführt werden, z.B. mit Hydrogel oder auch im Sinne einer enzymatischen Therapie. Dieses Vorgehen ist jedoch kosten- und zeitintensiv. Biochirurgische Maßnahmen, z.B. eine Madenanwendung, sollten nur in Ausnahmesituationen bei multimorbiden Patienten zum Einsatz kommen.
Das Debridement bedarf selbstverständlich neben der operativen Vorgehensweise begleitender Maßnahmen. Als erstes müssen die Ursachen der Wundheilungsstörung beseitigt werden. Die gesamten Verbandwechsel haben grundsätzlich unter lokaler Wundantisepsis mit geeigneten Antiseptika zu erfolgen. Systemisch muss der Flüssigkeitshaushalt gesichert sein bzw. Flüssigkeit auch ersetzt werden. Es müssen genügend Sauerstoffträger vorliegen, die in Form von Erythrozytenkonzentraten auf einen Hb-Bereich von 9 bis 10 gebracht werden müssen. Die Ernährung muss komplex mit allen wesentlichen Spurenelementen und Vitaminen den Reparaturprozessen die nötigen Baumaterialien zur Verfügung stellen. Mikrobiologische Kontrollen durch Probeexzisionen und eine gezielte Antibiose im Rahmen der operativen Maßnahmen sind ebenfalls indiziert. Teilweise müssen die operativ behandelten und transplantierten Regionen vorübergehend ruhiggestellt und ein definitiver belastungsfähiger Wundverschluss durch freie oder gestielte Transplantate geplant und bei sicheren Wundbedingungen durchgeführt werden.
Erläuterung der komplexe Anwendung des Debridements anhand von zwei Fallbeispielen
Bei einer 6 Jahre alten Afghanin waren ca. 25% der Körperoberfläche durch eine explodierende Petroleumlampe verbrannt. Dieses Kind wurde ca. 2 Monate lang vor Ort in einem entlegenen Bergtal behandelt, dann mittels Esel nach Kabul über 500 km weit transportiert und durch die Vermittlung einer Hilfsorganisation nach Deutschland geschickt. Bei Eintreffen bestand an den Wunden eine sehr komplexe mikrobiologische Situation. Es lagen MRSA-Erreger, hochresistente Pseudomonaden, Aspergillen und diverse Enterokokkenstämme vor, die auf allen Wundflächen nachgewiesen werden konnten. Das vorhandene Granulationsgewebe an Becken und unteren Extremitäten war trocken und insuffizient, zusätzlich bestanden über dem Steiß und über den Trochantären Druckulcera. Zunächst wurde durch lokal antiseptische Maßnahmen bei zum Teil zweimal täglich durchgeführten Verbänden die Erregerbesiedlung auf ein erträgliches Maß reduziert. Im Anschluss wurden die Defekte unter Zuhilfenahme einer 1 mm dicken Kollagenmatrix (Matriderm – eine synthetische Kollagen-Elastin-Matrix) mit gemeshter Spalthaut gedeckt und heilten trotz der vorangegangenen Besiedlungssituation komplett ab. Allerdings musste vorübergehend ein Anus praeter angelegt werden, um die Kontaminierung der Wundflächen durch Stuhl über einen gewissen Zeitraum zu vermeiden.
Bei einem 71-jährigen männlichen Patienten mit lebenslangem Nikotinabusus, arteriellem Hypertonus und insulinpflichtigem Diabetes mellitus entwickelte sich, basierend auf einer Bagatellverletzung, die er sich im Wald zugezogen hatte, eine nekrotisierende Phlegmone am rechten Unterschenkel und Fuß. Es trat ein septischer Schock mit Herzkreislaufstillstand ein, der reanimationspflichtig wurde. Zudem lag eine respiratorische Insuffizienz mit Aspirationspneumonie und rezidivierenden Pleuraergüssen beidseits vor. Ein prärenales Nierenversagen trat auf und ein Tracheostoma musste angelegt werden. Während des Zeitraums vom Februar bis September 2005 wurde der phlegmonöse Unterschenkel und Fuß mit diversen Therapiemaßnahmen in einer peripheren Klinik behandelt, unter anderen durch enzymatisches Debridement und Madentherapie. Nach multiplen, fehlgeschlagenen Versuchen, das nekrotische Gewebe debridementtechnisch abzutragen, wurde die Extremität gewissermaßen aufgegeben und die Indikation zur Unterschenkelamputation gestellt. Zu diesem Zeitpunkt waren alle Wundflächen inklusive des Tracheostomas und einer erforderlich gewordenen PEG (Magenfistel) mit MRSA besiedelt. Bei der plastisch-chirurgischen Erstvorstellung Anfang September auf Anforderung der Ehefrau, die sich mit der Amputation nicht einverstanden erklärte, lagen Sehnensequester frei am Fußrücken vor neben bestehenden Knochennekrosen und allgemeinem Infektionsgeschehen, eitrige Sekretionen kamen aus allen Gelenken im Bereich der Fußwurzelknochen und der Mittelfußknochen. Unter entsprechender lokaler antiseptischer Behandlung erfolgte ein gründliches Nachdebridement mit Beseitigung aller nekrotischen Gewebeanteile und die anschließende Vakuumversiegelung zur Protektion der noch vitalen Gewebeeinheiten. Der Vakuumverband an Sprunggelenk und Fuß wurde nach einer Woche gewechselt und 14 d später nach sparsamem Nachdebridement gemeshte Spalthaut zur Defektdeckung aller vorhandenen Wundflächen aufgebracht und ebenfalls unter antiseptischen Bedingungen erneut mit Vakuumverband gesichert. Eine Woche später wurde das Vakuum entfernt. Alle Transplantate waren eingeheilt. Es erfolgte die übliche Nachbehandlung ebenfalls unter topischer antiseptischer Behandlung. 2 Jahre nach Behandlung hat der Patient einen belastungsfähigen Fuß, MRSA-Erreger wurden nicht mehr nachgewiesen.
Schlussfolgerung
Zusammenfassend ergibt sich, dass ein chirurgisches Debridement immer unter OP-Bedingungen durchzuführen ist und unter einer sicheren Anästhesie zu erfolgen hat. Hierbei muss alles avitale Gewebe konsequent und ohne Rücksicht auf funktionelle Strukturen entfernt werden. Während dieses Eingriffs soll lokal eine sichere Antisepsis unter den Verbänden durchgeführt werden. Behandelt werden muss jedoch immer der Gesamtorganismus in Kenntnis aller Risikofaktoren inklusive der gezielten Antibiose des vorliegenden Erregerspektrums.