Das Berufsfelderkundungspraktikum an der Medizinischen Hochschule Hannover
Siegfried Geyer 1Harald Krentel 1
Christina Grothusen 1
Christina Nu?beck 1
J?rgen Collatz 1
1 Medizinische Hochschule Hannover, Medizinische Soziologie OE 5443, Hannover, Deutschland
Zusammenfassung
An der Medizinischen Hochschule Hannover besteht das Berufsfelderkundungspraktikum aus vier Elementen: einer Einf?hrungsvorlesung zur ?bersicht ?ber die Breite ?rztlicher T?tigkeitsfelder, vorbereitende Seminare in spezifische, von den Studierenden zu w?hlende und vorgegebene Berufsfelder (Hausbesuchsprogramm, Gesundheitsamt, MDK, Drogenmedizin, Arbeitsmedizin, Sozialpsychiatrie, Justizvollzug, Sozialp?diatrie und Rechtsmedizin), dem praktischen Teil in dem vorher gew?hlten Feld sowie einer Nachbereitung mit Beurteilung der Gesamtveranstaltung. Dargestellt werden die Ergebnisse der Evaluation ?ber vier Durchg?nge f?r die Vorbereitungsseminare, f?r die Betreuung in den aufnehmenden Einrichtungen und Praxen, f?r die Nachbereitung sowie die Ergebnisse der Gesamtbeurteilung durch die Absolventinnen und Absolventen.
Insgesamt nahmen 977 Studierende an der Evaluation teil. Nach den Nachbereitungen f?llten Sie einen standardisierten Fragebogen aus, der Fragen zu verschiedenen Aspekten des Praktikums enth?lt. Die statistischen Auswertungen wurden mittels Rangordnungsverfahren sowie einer Regressionsanalyse durchgef?hrt, die auch die Beurteilungen der Vorlesung ber?cksichtigt. Von den neun Praxisbereichen erhielt das Hausbesuchsprogramm in allen Praktikumsteilen die besten Beurteilungen, gefolgt von den Bereichen Gesundheitsamt und Arbeitsmedizin.
W?hrend die Beurteilungen der Einf?hrungsseminare und der Nachbereitungen ?ber die vier Jahre unterschiedlich eingestuft wurden, gibt es mit Ausnahme der Arbeitsmedizin eine hohe Konstanz in der Betreuung durch die besuchten Einrichtungen und Praxen. Die Analysen zeigen auch, dass die von den Studierenden mit Vorliebe gew?hlten Bereiche in den sp?teren Beurteilungen nicht notwendigerweise auch weit oben erscheinen m?ssen.
Die Regressionsanalyse f?hrte zu dem Schluss, dass die Nachbereitungsseminare und die allgemein orientierte Vorlesung k?nftig entfallen k?nnen, da ihre didaktische Bedeutung von den Studierenden nicht erkannt wird.
Schlüsselwörter
Berufsfelderkundung, Evaluation, Praktikum
Einleitung
Das Berufsfelderkundungspraktikum (BFE) ist eine Veranstaltung im Rahmen des vorklinischen Studiums der Humanmedizin, das den Studierenden bereits im ersten Fachsemester die Breite ?rztlicher T?tigkeiten vermitteln soll. Die Inhalte des Praktikums waren bisher nicht festgelegt. Ver?ffentlichte Empfehlungen und Konzepte sind deshalb sehr unterschiedlich [2], [5], [6] und diese Freiheit in der Ausgestaltung bleibt auch nach der Einf?hrung der neuen Approbationsordnung [1] erhalten.
An der Medizinischen Hochschule Hannover wurde bis zum Wintersemester 1998/1999 nur eine allgemeine Einf?hrung in das Praktikum durchgef?hrt, ohne dass auf bestimmte thematische Schwerpunkte hin vorbereitet wurde. Aus der Unzufriedenheit ?ber die mangelnde Fokussierung wurde es im Hinblick auf die zu diesem Zeitpunkt bereits absehbare neue Approbationsordnung in Richtung gr??erer Praxisn?he umgestaltet und im Wintersemester 1999/2000 zum ersten Mal in der hier beschriebenen und evaluierten Form durchgef?hrt. Lediglich das Hausbesuchsprogramm wurde in seiner vorherigen Form unver?ndert beibehalten. Die Umgestaltung bezog sich auf eine Vorbereitung der Studierenden auf wenige vorgegebene Berufsfelder, f?r deren fachliche Einf?hrung qualifizierte Referentinnen und Referenten gewonnen wurden. Die Studierenden m?ssen sich f?r ein Berufsfeld entscheiden, eine Vorbereitung auf dieses Feld hin absolvieren und dort dann ihr Praktikum ableisten. Die zugelassenen Bereiche sind das Gesundheitsamt, der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK), die Drogenmedizin, die Arbeitsmedizin, die Sozialpsychiatrie, der Justizvollzug, der Jugendmedizinische Dienst und die Rechtsmedizin. Im Gegenzug zur Einschr?nkung der Wahlfreiheit werden durch Kontaktaufnahme mit medizinischen Einrichtungen und Unternehmen Praktikumspl?tze eingeworben.
Das Hausbesuchsprogramm [4] besteht aus einer allgemeinmedizinischen Hospitation; die Studierenden nehmen an den Besuchen von Haus?rzten teil und f?hren im Anschluss an die Hospitation ein Patientengespr?ch durch, das dokumentiert wird.
Das Berufsfelderkundungspraktikum selbst besteht aus mehreren Abschnitten:
1. Im Rahmen einer Vorlesung werden in komprimierter Form ?rztliche T?tigkeitsfelder vorgestellt. Dazu werden entsprechend ausgewiesene Referentinnen und Referenten gewonnen.
2. Im Rahmen jeweils dreist?ndiger Seminare werden die Studierenden mit den Inhalten des gew?hlten Berufsfelds vertraut gemacht und auf den Ablauf des Praktikumstages vorbereitet. Die Seminareinf?hrungen werden durch Vertreterinnen und Vertreter der kooperierenden Institutionen durchgef?hrt.
3. Das Praktikum selbst besteht aus einer halbt?gigen Hospitation in einem der w?hlbaren Bereiche. Im Anschluss erstellen die Studierenden einen Erfahrungsbericht, der durchgesehen und bewertet wird.
4. Zuletzt finden Nachbereitungssitzungen statt, die unter Verwendung von Erfahrungsberichten der Studierenden gestaltet werden. Dabei werden mehrere Bereiche zusammengelegt, sodass Studierenden auch Einblicke in die nicht durchlaufenen Praxisfelder erhalten.
5. Am Ende der Nachbereitung steht eine standardisierte Evaluation.
Nach den ersten beiden Durchl?ufen wurden Vertreterinnen und Vertreter der kooperierenden Einrichtungen im Anschluss an das Wintersemester in die MHH eingeladen, um die Beurteilungen in einer gr??eren Runde vorzustellen und diskutieren zu k?nnen. Diese Evaluationen orientierten sich prim?r an den Ergebnissen der Bewertungen in den Frageb?gen, einzelne Berichte wurden lediglich zur Illustration verwendet. Die Skepsis, dass eine Er?rterung im gr??eren Kreis bei den weniger gut evaluierten Einrichtungen zum Abbruch der Mitwirkung am Praktikum f?hren k?nnte, erwies sich letztlich als unbegr?ndet. Die z.T. heftige Kritik der Studierenden wurde von den Institutionen jedoch positiv aufgenommen, und von den Verantwortlichen zur Verbesserung der Betreuung genutzt. In den beiden folgenden Jahrg?ngen wurden aus den Evaluationen Berichte erstellt und den Verantwortlichen zugeschickt.
Die Berichte wurden zun?chst nur als Grundlage f?r die Scheinvergabe verwendet, in den beiden letzten hier evaluierten Durchg?ngen wurden den Einrichtungen zus?tzlich anonymisierte Berichte von Praktika zur Verf?gung gestellt, die in den jeweiligen Institutionen absolviert wurden. Im WS 2001/2002 geschah dies auf Anfrage, im WS 2002/2003 war es Teil der R?ckmeldung. Die Berichte wurden vorher anonymisiert, indem das Praktikumsdatum sowie die Namen der Studierenden entfernt wurden.
Im vorliegenden Aufsatz werden die Ergebnisse der letzten vier Praktikumsdurchl?ufe vorgestellt. Der Schwerpunkt der Befunde liegt auf den quantitativen Befunden mit einer Betrachtung der Beurteilung der Einf?hrungsseminare, des eigentlichen Praktikums, der Nachbereitung sowie der Gesamtbewertung. Die Vorlesung wird nur im Kontext der Gesamtbeurteilungen des Praktikums ber?cksichtigt.
Material und Methoden
Die Studierenden konnten sich ihr Praxisfeld selbst aussuchen, doch je voller die Listen waren, umso geringer wurden jedoch die verbleibenden Wahlm?glichkeiten. Die Zahl der Praktikumspl?tze richtete sich nach den gemeldeten Aufnahmekapazit?ten, sie lag jedoch immer knapp unterhalb der Zahl immatrikulierter Studierender, da ein Teil ihr Praktikum in der N?he des Heimatorts ableisten m?chte.
Zur Evaluation werden die Studierenden zum Ende des Praktikums gebeten, einen standardisierten Fragebogen (ohne Identifikation der Beurteiler) auszuf?llen. Im ersten, dritten und vierten Jahr wurden die B?gen in den Nachbereitungsseminaren ausgeteilt und wieder eingesammelt. Im zweiten Jahr sollten sie zur Scheinausgabe mitgebracht werden, dieses Verfahren erwies sich im Hinblick auf den R?cklauf der B?gen als st?ranf?llig und wenig praktikabel.
?ber die vier betrachteten Jahrg?nge wurden die Frageb?gen von 977 Studierenden verwendet; die Differenz zur Gesamtzahl von 1380 Studierenden ergibt sich daraus, dass die Teilnahme am Praktikum auf Antrag erlassen werden konnte, wenn eine Ausbildung in einem medizinischen Bereich absolviert wurde. Nur ein geringer Anteil der Studierenden gab den Bewertungsbogen nicht ab (Tabelle 1 [Tab. 1]).
Der gr??te Teil der Studierenden (95,4%) absolvierte das Praktikum wie vorgesehen im ersten Fachsemester, das Durchschnittsalter lag bei M=21,2 (Sd=4,1) Jahren, wobei die Studentinnen mit M=21,2 (Sd=3,5) Jahren j?nger waren als die Studenten mit M=22,0 (Sd=3,4) Jahren.
Die Verteilung der Studierenden auf die einzelnen Berufsfelder spiegelt die Aufnahmem?glichkeiten der Bereiche wieder. In der Arbeitsmedizin kommt besonders zum Tragen, dass eine vergleichsweise gro?e Zahl von Unternehmen und Einrichtungen bereit waren, Studierende aufzunehmen.
Der standardisierte Fragebogen
Mit dem Fragebogen werden Aspekte der zentralen Elemente (Vorlesung, Einf?hrungsseminar, Praktikum, Nachbereitung) erfasst, ebenso die Wahrnehmung von Wahlm?glichkeiten, Schwierigkeiten beim Zugang zu Praxisfeldern, der Erkenntniszuwachs, und schlie?lich werden Fragen zum Abbau von Vorurteilen gegen?ber einzelnen Bereichen gestellt. Abschlie?end wird nach allgemeinen Beurteilungen sowie nach Anregungen zur Optimierung des Praktikums gefragt. Die Beurteilungen sollten auf einer F?nfpunktskala abgegeben werden, wobei "1" die schlechteste und "5" die beste Bewertung bezeichnet. Die Gesamtbeurteilung sollte auf einer 15-Punkteskala angegeben werden; "1" bezeichnet wiederum die beste Beurteilung, "15" die schlechteste.
Statistische Vorgehensweise
Es wird gepr?ft, ob sich die Verteilungen der abgegebenen Urteile f?r einzelne Bereiche ?ber die vier verglichenen Jahre unterscheiden, bzw. ob die Urteile ?ber die Praktikumsbereiche innerhalb eines gegebenen Jahres variieren. Aufgrund der schiefen Verteilungen der abgegebenen Urteile wurde der Kruskall-Wallis-Test gew?hlt. Dabei wird ein Test darauf durchgef?hrt, ob sich die Verteilungen ?ber die betrachteten Kategorien unterscheiden.
Da eine gro?e Zahl von signifikanten Tests durchgef?hrt werden, wird in den folgenden Darstellungen eine Irrtumswahrscheinlichkeit von p<0,01 akzeptiert, welche das Risiko fehlerhafter Schl?sse zwar nicht ausschlie?t, sich aber gegen?ber den ?blicherweise verwendeten 5%-Niveau reduziert.
Zus?tzlich zu den Rangtests wurde die lineare Regression angewandt. Die statistischen Berechnungen wurden mit dem Statistikprogrammpaket SPSS 6.1 [3] durchgef?hrt.
Ergebnisse
Die Beurteilungen der einzelnen Veranstaltungsteile auf den F?nfpunkteskalen weisen durchweg schiefe Verteilungen in Richtung guter Beurteilungen auf, der Median (Md) ist daher aussagekr?ftiger als der Mittelwert (M).
Von den vier Veranstaltungsteilen wurde ?ber alle vier Durchg?nge der praktische Teil konsistent am besten beurteilt (Md=5,0; M=4,2) an zweiter Stelle liegen die Einf?hrungsseminare (Md=4,0; M=3,6). Die Nachbereitungen fallen im Vergleich dazu zur?ck (Md=3,0; M=3,4), und die Vorlesung erh?lt die im Vergleich schlechtesten Werte (Md=3,0; M=2,6).
Einf?hrungsseminare
Die Einf?hrungen dienen der Vorbereitung auf die praktischen Teile durch Informationsvermittlung. Bei der differenzierten Betrachtung der Rangverteilungen der Praxisbereiche ?ber die einzelnen Durchl?ufe (Tabelle 2 [Tab. 2]) zeigt sich, dass die Einf?hrungen in das Hausbesuchsprogramm von den Studierenden am besten bewertet wurden. Es folgen die Bereiche Arbeitsmedizin und Gesundheitsamt, wobei diese Reihenfolge ?ber die Jahre konstant bleibt. Die niedrigste Akzeptanz erhielt der Bereich MDK, und auch hier zeigt sich eine hohe Konsistenz. Die Rangtests der einzelnen Jahre weisen darauf hin, dass die Studierenden die Vorbereitungsveranstaltungen heterogen beurteilen.
Wenn die Bereiche einzeln ?ber die Jahre betrachtet werden, zeigt sich, dass mit drei Ausnahmen keine Unterschiede ?ber die Jahre feststellbar sind. Die Ausnahmen sind das Hausbesuchsprogramm und der Bereich Sozialp?diatrie/Jugendmedizin sowie der Bereich Justizvollzug.
Praktikum/ Betreuung durch die aufnehmenden Einrichtungen
Die Studierenden sollten die Betreuung in den aufnehmenden Einrichtungen und Praxen beurteilen; dies bildet ein wesentlicher Teil des eigentlichen Praktikums. Die entsprechenden Rangfolgen zeigen deutliche ?berschneidungen mit den Beurteilungen der Vorbereitungsseminare. Das Hausbesuchsprogramm schneidet wiederum konsistent ?ber alle betrachteten Jahre am besten ab, es folgen wiederum Arbeitsmedizin und das Gesundheitsamt. Die Unterschiede in den Verteilungen der Beurteilungen ?ber die einzelnen Bereiche sind nur f?r die ersten beiden Jahre interpretierbar; sie sollten sich auf die Distanz zwischen den bereits genannten erstplatzierten Bereichen und den verbleibenden erkl?ren lassen.
Bei der Betrachtung der einzelnen Bereiche ?ber die vier Durchg?nge zeigt sich eine hohe Konstanz; nur f?r den Bereich Arbeitsmedizin werden statistische Unterschiede in der Beurteilung deutlich (Tabelle 3 [Tab. 3]).
Nachbereitung
F?r die Nachbereitungsseminare wurden nur ?ber drei der vier betrachteten Jahre Evaluationen durchgef?hrt. Wieder zeigen sich ?ber die Jahre die Reihungen wie sie auch f?r Vorbereitung sowie f?r die Betreuung in den Einrichtungen gefunden wurden. Dies wird durch statistisch signifikante Unterschiede ?ber alle drei Durchl?ufe dokumentiert, wobei die signifikanten Abweichungen sich im Wesentlichen durch die Abst?nde der erstplatzierten Bereiche zu den Verbleibenden erkl?ren sollte. Werden die einzelnen Bereiche ?ber die Durchl?ufe verglichen, ergeben sich Unterschiede beim Hausbesuchsprogramm, dem Gesundheitsamt, der Drogenmedizin und der Sozialp?diatrie/ Jugendmedizin (Tabelle 4 [Tab. 4]).
Gesamtbeurteilung
Die Studierenden sollten auf einer 15-Punkteskala angeben, wie sie das Berufsfelderkundungspraktikum insgesamt unter Einbeziehung aller Aspekte beurteilen.
Die Gesamtbeurteilungen liegen in einem ?hnlichen Rahmen, wie f?r die einzelnen Bereiche gezeigt. ?ber die betrachteten Jahrg?nge hinweg findet sich das Hausbesuchsprogramm wiederum auf den h?chsten Rangpl?tzen, gefolgt vom Gesundheitsamt und der Arbeitsmedizin, wobei im ersten Durchgang die Unterschiede zwischen dem Hausbesuchsprogramm und den folgenden Rangpl?tzen gro?, zwischen den anderen Bereichen jedoch gering sind. Dies sollte den statistisch signifikanten Unterschied erkl?ren (Tabelle 5 [Tab. 5]).
Die Betrachtung der Jahresunterschiede bei einzelnen Bereichen zeigt, dass es innerhalb der Hausbesuchspraktika substantielle Unterschiede in der Beurteilung gibt, das gleiche gilt f?r das Gesundheitsamt, die Sozialpsychiatrie und den Justizvollzug. Die ?brigen Bereiche weisen ?ber die betrachteten Jahre hinweg keine statistisch bedeutsamen Differenzen im Ranking auf.
In die Gesamtbeurteilung geht eine gro?e Menge an unterschiedlichen Informationen ein, die letztlich schwer zu quantifizieren sind. Um trotzdem Aufschl?sse ?ber die Determinanten allgemeiner Urteile zu erhalten, wurde eine Regressionsanalyse mit der Gesamtbeurteilung als abh?ngiger Variable durchgef?hrt. Die Beurteilungen der ?bersichtsvorlesung, der Einf?hrungsveranstaltung, des praktischen Teils und der Nachbereitung wurden als unabh?ngige Variablen verwendet. F?r alle drei wurden interpretierbare Effekte gefunden, wobei der praktische Teil mit β=49 am st?rksten ins Gewicht f?llt; f?r die Vorbereitungsseminare ist es β=0,29, f?r die Nachbereitung waren es β=0,16. Die Einf?hrungsvorlesung leistete den geringsten Beitrag zur Gesamtbewertung, denn der standardisierte Regressionskoeffizient lag bei nur β=0,06.
Diskussion
Das Berufsfelderkundungspraktikum, wie es an der Medizinischen Hochschule Hannover durchgef?hrt wird, wurde ?ber einen Vierjahreszeitraum nach den besuchten Praxisbereichen evaluiert. Die durchweg besten Einstufungen erhielt das Hausbesuchsprogramm mit einem allgemeinmedizinischen Fokus, das Patientenkontakt, pers?nliche Betreuung und M?glichkeiten zur Eigenaktivit?t kombiniert. Zur guten Platzierung sollte in diesem Teil des Praktikums auch beigetragen haben, dass die haus?rztliche T?tigkeit mit den Studienmotivationen der Erstsemesterstudierenden entgegenkommt. Dieses Interesse an der praktischen Seite ?rztlicher T?tigkeit erkl?rt auch den hohen Beitrag der Exkursion an der Gesamtbeurteilung.
Die Rankings zeigen aber auch, dass die Vor- und Nachbereitungen als ?ber die Jahre unterschiedlich wahrgenommen wurden, w?hrend die Rankings der Hospitationen wenig Variation aufweisen. Wie interpretieren diese Befunde so, dass sich darin die wechselnden Rahmenbedingungen des Praktikums niederschlagen.
Auf der zweiten Stelle der Rankings steht die Arbeitsmedizin. In diesem Bereich wird zwar durchweg eine personalisierte Betreuung praktiziert, ein Patientenkontakt ist jedoch nicht durchweg vorhanden. In der Einsch?tzung der Verantwortlichen wurde dieser Bereich als problematisch angesehen, weil er von allen Praxisfeldern die geringste Kontinuit?t aufweist. Dies erkl?rt sich aus der ?ber die Jahre wechselnden Aufnahmepraxis sowie durch eine Fluktuation der aufnehmenden Unternehmen. Die Arbeitsmedizin ist der einzige Bereich, der im Praktikumsteil statistisch signifikante Unterschiede in den Beurteilungen ?ber die vier Durchl?ufe aufweist. Bei n?herer Betrachtung liegt dieser Bruch zwischen dem ersten und den folgenden Jahren; im ersten Jahr wurden die Exkursionen im Gruppenrahmen durchgef?hrt, was von den Studierenden in den Berichten als kritisch vermerkt wurde. In den Folgejahren wurde dies ge?ndert; es waren jeweils nur einzelne Studierende in einem Unternehmen, die von einer ?rztin oder einem Arzt einzeln betreut wurden, verbunden mit der M?glichkeit, mehr Fragen zu stellen und aktiver zu werden.
Das gute Ranking der Vorbereitung zum Praktikum in arbeitsmedizinischen Abteilungen ist deshalb bemerkenswert, weil sie als einziger Bereich nicht von Referentinnen und Referenten aus dem Fach, sondern von Mitarbeitern der Medizinsoziologie durchgef?hrt wurde, die sich erst in die Materie einarbeiten mussten und daher einen mehr theoretischen als praktisch fundierten Zugang zum Berufsfeld hatten.
Auf dem dritten Rang der Beurteilungen stand in unseren Analysen das Gesundheitsamt. Dies war nicht unbedingt zu erwarten, da im Vorfeld von den Studierenden Vorbehalte ge?u?ert wurden. In den schriftlichen Berichten wird jedoch h?ufig die engagierte Betreuung in den aufnehmenden Einrichtungen hervorgehoben, zus?tzlich ?u?erten sich die Studierenden ?berrascht ?ber die gro?e Variabilit?t der T?tigkeiten. Letzteres f?hrte zwar zu einer positiven Beurteilung der Praktika in den Gesundheits?mtern, jedoch nicht dazu, dass die Erstsemester das Gesundheitsamt als m?glichen Arbeitsplatz f?r sich selbst in Erw?gung ziehen w?rden.
Die Einf?hrung in die amts?rztliche T?tigkeit im Seminarrahmen wurde, legt man das von uns gew?hlte statische Kriterium zugrunde, ?ber die Jahre als konstant beurteilt. Der Hintergrund dieser Einstufung bildet eine personelle Kontinuit?t einer Referentin und eines Referenten, verbunden mit einem konstanten Stil in der Durchf?hrung.
Ob diese letzte Aussage uneingeschr?nkt zutrifft, kann letztlich nicht entschieden werden. Bei den Vorbereitungsseminaren gab es ?ber weite Strecken personelle Kontinuit?t in Verbindung mit gleichbleibenden Rankings, wie in der Rechtsmedizin, der Drogenmedizin und dem MDK. Es gab aber auch Bewertungsvariationen bei personeller Kontinuit?t, etwa im Justizvollzug.
Abgesehen vom beschriebenen Fall Arbeits- und Betriebsmedizin, erscheint die Betreuung in den Einrichtungen und Praxen in der statistischen Analyse, als ?ber die betrachteten Jahre konstant.
Im Methodenabschnitt wurde darauf hingewiesen, dass die Studierenden sich ihr Praxisfeld selbst w?hlen k?nnen, dass aber nach der Einschreibung in die begehrteren Bereiche (z.B. Rechtsmedizin, Justizvollzug oder Drogenmedizin) die weniger Attraktiven ?brig bleiben. Es ist daher plausibel, dass aufgrund dieser Selektion einige besser, andere dagegen schlechter abschneiden k?nnten. Ob dies tats?chlich der Fall ist, kann mit den vorliegenden Daten nicht untersucht werden, jedoch lassen sich aus den referierten Befunden einige Schl?sse ziehen. Das Hausbesuchsprogramm ist beliebt, es ist auch in den Rankings konsistent gut platziert. Die Rechtsmedizin ist einer der Bereiche, die bei der Einschreibung am schnellsten gef?llt sind. Im Ranking steht die Rechtsmedizin aber nicht auf den vorderen Pl?tzen. Folgt man den schriftlichen Berichten der Studierenden, gibt es vorab nur wenig ausgepr?gte Sympathien f?r das Gesundheitsamt, auch die Arbeitsmedizin wird eher aus Verlegenheit gew?hlt, trotzdem erreichen diese beiden Bereiche gute Rankings. Wir schlie?en daraus, dass die vor Beginn des Praktikums bestehenden Pr?ferenzen die Beurteilungen entweder nicht oder nur in geringem Ma? bestimmt haben.
Abschlie?end stellt sich die Frage, welche Folgerungen sich aus den referierten Befunden ergeben. Hinsichtlich der Optimierung des Praktikums gibt die Regressionsanalyse eine Entscheidungshilfe auf die Frage, ob auf die Nachbereitungsseminare verzichtet werden kann, wie im zweiten Durchgang praktiziert. Wenn das Kriterium die Gesamtbeurteilung ist, kann dies durchaus empfohlen werden. Dies wurde im Wintersemester 2003/2004 auch umgesetzt. Offensichtlich wird der R?ckmeldung von Erfahrungen anderer Studierender, mit der M?glichkeit des Vergleichs mit den Eigenen, nur wenig Bedeutung zugemessen. Der geringe Beitrag der Vorlesung zur Gesamtbeurteilung sowie die relativ schlechte Beurteilung f?hrten dazu, dass auch dieses Element des Berufsfelderkundungspraktikums im letzten Wintersemester nicht mehr angeboten wurde.
Die Evaluation des Praktikums hat damit gezeigt, dass es von den Studierenden durchaus positiv bewertet und angenommen wurde. Sie hat zu Konsequenzen hinsichtlich der k?nftigen Struktur der Veranstaltung gef?hrt.
Danksagung
Die Konzeption und die Durchf?hrung des Berufsfelderkundungspraktikums w?re ohne die Kooperation mit Abteilungen innerhalb und au?erhalb der Hochschule nicht m?glich gewesen. Wir m?chten uns an dieser Stelle bei den Kolleginnen und Kollegen bedanken, die uns bei der Organisation und insbesondere durch ihre Mitwirkung in den Vorbereitungsseminaren besonders unterst?tzt haben. Es sind (in alphabetischer Reihenfolge): Frau Auffenberg (JVA Hannover), Herr Dr. Bartusch (Abt. Sozialpsychiatrie der MHH), Frau Voigt und Herr Dr. Behrends (beide Fachbereich Gesundheit, vormals Gesundheitsamt Hannover), Frau Dr. Ehrhardt (Jugendmedizinischer Dienst der Stadt Hannover), Frau Prof. Dr. Wrbitzky (Abt. Arbeitsmedizin der MHH), Herr PD Dr. Middelhoff und Frau Dr. D?bel-Hansen (beide MDK Hannover) und Frau Dr. Voigt (Fachbereich Gesundheit der Region Hannover). Sie stehen auch f?r die gro?e Zahl von ?rztinnen und ?rzten, die in ihren Hausarztpraxen sowie in den verschiedenen medizinischen Einrichtungen Studierende betreut und zum Erfolg der Veranstaltung beigetragen haben.
Literatur
[1] Bundesregierung. Approbationsordnung f?r ?rzte vom 27. Juni 2002. Bundesgesetzblatt. 2002;44:2405-2435.[2] Kahlke W. Das Praktikum der Berufsfelderkundung nach dem Hamburger Modell. Med Ausbild. 1995;12:126-135.
[3] Norusis MJ, SPSS Inc. SPSS for Windows manual , advanced statistics for version 6 SPSS Inc., Chicago; 1993.
[4] Patschan O, Maier B, Knabe H. Das Hausbesuchsprogramm an der Medizinischen Fakult?t der Universit?t Greifswald im Rahmen des neuen Schwerpunkts Community Medicine. Med Ausbild. 2003;11:27-34.
[5] Rockenbauch B, Borgetto B. Begleitbuch zur Berufsfelderkundung. Giessen: J.F.Lehmanns Verlag; 1995.
[6] Sponholz G, Baitsch H. Praktikum der Berufsfelderkundung. Med Gen.1993;3:254-257.