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GMS Journal for Medical Education__Temp

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

2366-5017__Temp


?bersicht/Positionspapier

Hochschuldidaktische Qualifizierung in der Medizin: I. Bestandsaufnahme

 Maria Lammerding-K?ppel 1
G?tz Fabry 2
Matthias Hofer 3
Falk Ochsendorf 4
Christian Schirlo 5

1 Gesellschaft f?r Medizinische Ausbildung, GMA-Ausschuss Personal - und Organisationsentwicklung f?r die Lehre, Medizinische Fakult?t T?bingen, Kompetenzzentrum f?r Hochschuldidaktik in Medizin Baden-W?rttemberg, T?bingen, Deutschland
2 Gesellschaft f?r Medizinische Ausbildung, GMA-Ausschuss Personal - und Organisationsentwicklung f?r die Lehre, Albert-Ludwigs-Universit?t Freiburg, Medizinische Fakult?t, Abteilung f?r Medizinische Psychologie, Freiburg, Deutschland
3 Gesellschaft f?r Medizinische Ausbildung, GMA-Ausschuss Personal - und Organisationsentwicklung f?r die Lehre, Heinrich-Heine-Universit?t D?sseldorf, Medizinische Fakult?t, Anatomisches Institut II, Arbeitsgruppe Medizindidaktik, D?sseldorf, Deutschland
4 Gesellschaft f?r Medizinische Ausbildung, GMA-Ausschuss Personal - und Organisationsentwicklung f?r die Lehre, J. W. Gothe-Universit?t Frankfurt/M, Klinikum, Zentrum Dermatologie und Venerologie, Frankfurt/M. Deutschland
5 Gesellschaft f?r Medizinische Ausbildung, GMA-Ausschuss Personal - und Organisationsentwicklung f?r die Lehre, Universit?t Z?rich, Mediznische Fakult?t, Studiendekanat, Z?rich, Schweiz

Abstract

In recent years, quality management of educational skills of medical teachers has gained increasing relevance, predominantly triggered by rising external pressure. Meanwhile, a consensus is reached that a professional training in pedagogical methods and didactic skills is essential for medical teachers in UGME and PGME.

A series of three articles intends to provide not only a brief overview, but also detailed argumentative support concerning pedagogical aspects of medical education, the conceptual design and the implementation of faculty development programs in medical education. Additionally the important topic of how the effectiveness of staff development programs can be demonstrated will be addressed. The goal of the first article is to outline the present situation, conditions and recognition of teacher's training programs in German-speaking countries.

At present, a variety of faculty development programs and activities have been designed and implemented. These activities include e.g. non-structured short courses and lectures, workshops and seminars of one to six days, as well as longitudinal programs up to national, two-year postgraduate programs to achieve the degree of a "Master of Medical Education" in Swiss and Germany. Compared to the international situation, in Germany is a lack of a mandatory basic program for all teaching staff members, which systematically provides a broad range of teaching and learning strategies for diverse settings. Only one regional faculty development program has been established so far in the federal state of Baden-Wurttemberg, which has been certified as "Medical Education Qualification, Step I and II" by the federal state ministry responsible for higher education. Two comparable programs are on the way in the federal states of Bavaria and North-Rhine-Westfalia.


Keywords

faculty development, staff development, teacher?s training, training programm, didactic, medical education

Hintergrund

Die Gesellschaft f?r Medizinische Ausbildung (GMA) versteht die F?rderung der Lehrkompetenz als integralen Bestandteil der Personal- und Organisationsentwicklung an den medizinischen Fakult?ten. F?r eine Qualit?tsentwicklung bzw. -sicherung von Lehre und Studium ist sie unverzichtbar.

Angesichts der rasanten Entwicklung der letzten Jahre und der derzeitigen Un?bersichtlichkeit der Angebote m?chte die GMA Orientierungshilfen zur Qualit?tssicherung und -entwicklung von medizindidaktischen Qualifizierungsprogrammen geben. Der Auf- und Ausbau einer strukturierten, hochwertigen Qualifizierung f?r Lehrende in der Medizin ist im Interesse der medizinischen Fakult?ten (als Anbieter, Tr?ger, Abnehmer der Absolventen) und der Lehrenden als Nutzer. Beide Seiten profitieren von transparenten, bez?glich Form und Inhalt definierten und standardisierten Programmen, nicht aber von inhaltlich beliebigen Angeboten.

Durch die Auswertung auch internationaler Erfahrungen und wissenschaftlicher Ergebnisse lassen sich Kriterien definieren, mit denen Mindestanforderungen an medizindidaktische Qualifizierungsma?nahmen formuliert werden k?nnen. Die Analyse konkreter Beispiele gibt auch hilfreiche Hinweise auf infrastrukturelle Anforderungen, auf Kosten und Nutzen sowie auf Implementierungsm?glichkeiten und Hindernisse (s.u.).

Gleichzeitig empfiehlt die GMA den Tr?gern und Anbietern medizindidaktischer Aus- und Weiterbildung, ihre Angebote an gemeinsamen Standards zu orientieren. Ziel ist, eine bundesweite Abstimmung und nach M?glichkeit auch einen Einklang mit den Angeboten aus der Schweiz und ?sterreich zu erreichen. Nur so werden Austausch, Kooperation und Modularisierung gef?rdert. Sie erm?glichen den Absolventen dieser Kurse, d.h. den Lehrenden, eine Garantie f?r die Anerkennung von Teilleistungen und Zertifikaten in verschiedenen Bundesl?ndern.

Als Tr?ger sind universit?re Einrichtungen und deren Mitarbeiter/innen angesprochen, die sich mit der Professionalisierung der medizinischen Lehre und somit mit der hochschuldidaktischen Qualifizierung der Lehrenden in der Medizin befassen. Das sind insbesondere die Medizinischen Fakult?ten (Dekanate bzw. Studiendekanate), einzelne Abteilungen (Kliniken, Institute), die diese Aufgabe ?bernommen haben, Kompetenzzentren f?r Medizindidaktik oder andere fakult?tseigene oder universit?re Einrichtungen sowie Netzwerke.

Fragestellung

Auf diesem Hintergrund sollen Stellenwert der Medizindidaktik, Anforderungsprofil der Angebote und Konzepte zur Implementierung f?r den deutschsprachigen Raum beleuchtet werden. Um Orientierung und Argumentationshilfe zu geben, werden in einer dreiteiligen Artikelfolge folgende Fragen beantwortet:

In Teil I (Bestandsaufnahme)

  1. Welchen Stellenwert hat die didaktische Qualifizierung im Rahmen der Professionalisierung der medizinischen Lehre?
  2. Welche Qualifizierungsm?glichkeiten gibt es zurzeit?

In Teil II (Bedarf, Anforderungsprofil und Ausbildungskonzepte)

  1. Welcher grunds?tzliche Ausbildungsbedarf besteht ?berhaupt?
  2. Welches sind die Mindestanforderungen an ein strukturiertes hochschuldidaktisches Qualifizierungsprogramm f?r Lehrende in der Medizin?

In Teil III (Erfolgreiche Beispiele und Erfahrungen)

  1. Welche konkreten Beispiele der praktischen Umsetzung und Institutionalisierung gibt es bereits?
  2. Welche Kosten-Nutzen-Absch?tzungen lassen sich aufstellen?

Methodisches Vorgehen

Ausgangspunkt f?r die Artikelserie sind die Ergebnisse zweier Workshops bei den Jahrestagungen der GMA 2004 in Berlin und 2005 in M?nster mit Vertretern von 18 Fakult?ten. Zur weitergehenden Recherche wurden Pubmed, Google, Yahoo, Alta vista sowie Web-basierte Informationen individueller Fakult?ten gesichtet. Zur schwerpunktm??igen Bestandsaufnahme der Situation in deutschsprachigen L?ndern wurden insbesondere Ver?ffentlichungen in der Zeitschrift f?r Medizinische Ausbildung bzw. GMS Zeitschrift f?r Medizinische Ausbildung, Stellungnahmen politischer Gremien sowie Erfahrungsberichte der Workshopteilnehmer/innen ausgewertet.

Wir orientieren uns am aktuellen Stand didaktisch-p?dagogischer Erkenntnisse in der Hochschullehre im Allgemeinen wie auch in der Medizin im Speziellen, an nationalem und internationalem Erfahrungswissen und empirischer Lehrforschung auch aus verwandten Wissenschaftsbereichen (Erwachsenenp?dagogik, P?dagogische Psychologie u.a.). Von besonderer Bedeutung ist die Charakterisierung der "zw?lf Rollen des medizinischen Hochschullehrers" ("twelve roles of the medical teacher", [1]). Darin werden die fachspezifischen, der medizinischen Ausbildung immanenten Anforderungen an den Lehrenden abgebildet. Um den Bezug zur Landschaft der "allgemeinen" fach?bergreifenden Hochschuldidaktik in Deutschland herzustellen, werden auch die Leitlinien zur Modularisierung und Zertifizierung hochschuldidaktischer Weiterbildung (AHD 2005) [2] ber?cksichtigt. Eine weitere Orientierung bieten die von der britischen Akkreditierungsagentur SEDA (Staff and Educational Development Association) formulierten Werte (sog. "SEDA-Values"), die alle Lehrenden bei ihrer T?tigkeit leiten sollten und europaweite Akzeptanz finden (http://www.seda.ac.uk/pdf/11%20SEDA%20PDF-Values.htm).

Die Ergebnisse reflektieren den gegenw?rtigen Wissensstand f?r medizindidaktische Qualifikationsma?nahmen und k?nnen somit als Empfehlungen gelten. Wie alle wissenschaftlich begr?ndete Leitlinien m?ssen sie immer wieder auf ihre ?bereinstimmung mit dem aktuellen Kenntnisstand ?berpr?ft und gegebenenfalls angepasst werden, insofern haben sie nur vorl?ufigen Charakter.

Ergebnisse

1. Ausgangssituation: Welchen Stellenwert hat die didaktische Qualifizierung im Rahmen der Professionalisierung der medizinischen Lehre?

Rahmenbedingungen

An vielen Universit?ten spielen Leistungen in der Lehre, d.h. auch Bem?hungen zur Qualifizierung, im Vergleich zu Forschungsaktivit?ten eine untergeordnete Rolle. Gesetzgebung, Wissenschaftspolitik sowie Wissenschaftsorganisationen und nicht zuletzt die ?ffentliche Meinung fordern aber nachhaltig und auch mit finanziellem Druck die Professionalisierung der Lehre an den Universit?ten und insbesondere an den medizinischen Fakult?ten [3].

Externe Faktoren

Vor allem externe Faktoren werden urs?chlich f?r die gesteigerte Bedeutung der Lehrqualit?t genannt: der Funktionswandel des Hochschulsystems in allen modernen Gesellschaften, insbesondere der quantitative Ausbau bei gleichzeitiger Begrenztheit der verf?gbaren Mittel; ein zunehmender Wettbewerb um Studierende, Wissenschaftler und Ressourcen; ein wachsendes Interesse der ?ffentlichkeit, Informationen ?ber die Ergebnisse der investierten Steuermittel zu erhalten; das Auftreten neuer (privater) Anbieter im Hochschulbereich. Es geh?rt daher heute zum Standard, Qualit?t auch unter Wettbewerbs- und Marketing-Aspekten zu betrachten und nach au?en darzustellen [4]. Die wachsende Konkurrenz auf dem internationalen Bildungs- und Arbeitsmarkt erfordert ein ?berzeugendes Profil in der Lehre sowie eine qualitativ hochwertige Ausbildung.

Der Wissenschaftsrat konstatiert 2004 in seinen Empfehlungen zu forschungs- und lernf?rderlichen Strukturen in der Universit?tsmedizin: "… Grunds?tzlich muss an den universit?tsmedizinischen Einrichtungen klar herausgestellt werden, dass Lehre eine gleichberechtigte Bedeutung neben Forschung und Krankenversorgung haben muss. Hier besteht ein struktureller Entwicklungsbedarf. Leistungen in der Lehre m?ssen nach Umfang und Qualit?t bewertet und f?r die Mittelzuteilung sowie den Karriereweg relevant sein. Organisation und entsprechend qualitativer Standard der Lehre sind von den Medizinischen Fakult?ten sicherzustellen. Besondere Verdienste in der Lehre sollten nach Auffassung des Wissenschaftsrates f?r die Universit?tskarriere f?rderlich sein. …" [5].

An den medizinischen Fakult?ten hat insbesondere auch die zum WS 2003/2004 in Kraft getretene ?nderung der ?rztlichen Approbationsordnung [6] mit ihren erheblichen Anforderungen an die Lehr- und Pr?fungsmethodik M?ngel bewusst gemacht. Kaum eine Fakult?t verf?gt bisher ?ber angemessene Ressourcen f?r eine diesem Anspruch gen?gende Lehre. Die zunehmende Spezialisierung mit Entwicklung neuer Disziplinen hat zusammen mit der Flut an neuen Erkenntnissen zu einer massiven ?berladung der Curricula gef?hrt. Eine wissenschaftlich begr?ndete und kontrollierte ?berarbeitung und Entlastung der Studienpl?ne ist dringend erforderlich ("Was braucht der Student wirklich, um das (zuvor definierte!) Ausbildungsziel zu erreichen?").

Situation an den Hochschulen

Die Forderungen des HRG ?44 nach einer umfassenden Nachwuchs- und Karrieref?rderung sollen zuk?nftig auch bez?glich der Lehre von den Universit?ten umgesetzt werden. So wurde das HRG (?44 Abs. 1 Nr. 2: "Einstellungsvoraussetzungen f?r Professoren") bereits 1998 dahingehend ge?ndert, dass die als Einstellungsvoraussetzung nachzuweisende ‚p?dagogische Eignung' nicht mehr wie bisher "in der Regel" einfach angenommen werden darf, wenn der Bewerber "Erfahrungen in der Lehre oder Ausbildung" nachweisen kann [7]. In der Begr?ndung zu dieser Streichung hei?t es u.a.: "Die vom HRG geforderte p?dagogische Eignung ist bisher bei Einstellungen von Professoren nur selten ernsthaft gefordert und gepr?ft worden (…) Eine n?here landesrechtliche Konkretisierung dieses besonders wichtigen Qualifikationselementes ist deshalb dringend zu w?nschen." [8].

Zur F?rderung der Lehrqualit?t schreiben mittlerweile immer mehr Habilitationsordnungen in der Medizin den Nachweis einer hochschuldidaktischen Ausbildung vor (z.B. Charit? Berlin, D?sseldorf, Frankfurt, Freiburg, Mannheim, T?bingen). Die Vorgaben sind qualitativ allerdings sehr unterschiedlich: Sie reichen von rein quantitativen Angaben (am h?ufigsten 8 - 16 Stunden) bis hin zur Forderung einer 120-st?ndigen strukturierten Basisqualifikation in Medizindidaktik (noch selten, z.B. T?bingen, Z?rich).

Gute Leistungen und hohe Qualit?t in der Lehre machen sich zunehmend auch bezahlt

  1. f?r die Fakult?ten im Rahmen der landesweiten leistungsorientierten Mittelvergabe,
  2. f?r die Abteilungen in der internen Mittelvergabe und
  3. f?r die Lehrenden selber auf ihrem Karriereweg (Beispiel Baden-W?rttemberg).

Die Forderungen zur Verbesserung der Lehrqualit?t treffen die medizinischen Fakult?ten in einer Zeit mit knapper werdenden Ressourcen, EU-Arbeitszeitgesetz, drohendem ?rztemangel und immer k?rzeren Liegezeiten der Patienten. Umso wichtiger wird es, die knappen Ressourcen optimal zu nutzen. Dazu geh?rt eine strukturierte und praxisorientierte Vorbereitung der ?rzte und ?rztinnen auch auf ihre Lehraufgaben. Denn autodidaktisches Lernen des Lehrens ist aus ?konomischer Sicht zu langwierig und im Ergebnis zu wenig planbar und zuverl?ssig.

Lehrende

Auch die Lehrenden selber interessieren sich zunehmend f?r zertifizierte didaktische Qualifizierungen. Viele sind intrinsisch motiviert, manche erhoffen sich mittlerweile Karrierevorteile. Sie erwarten zu Recht, dass die erworbene Qualifizierung auch jenseits der Standortgrenzen anerkannt wird, somit allgemeine G?ltigkeit und Wertigkeit besitzt. Dazu muss das Angebot einerseits an die hohe Mobilit?t und an die unterschiedlichen wissenschaftlichen Karrierewege in der Hochschulmedizin angepasst sein. Erwartet wird also ein weiter Geltungsbereich. Andererseits sollen die konkreten Angebote aber auch gen?gend differenziert die Probleme der individuellen Lehrpraxis ansprechen. Insgesamt soll das Spektrum der Angebote eine umfassende Qualifizierung f?r die Lehre erlauben.

Fazit:

Als Folge von ?ffentlichem Druck, Empfehlungen des Wissenschaftsrats, ?nderungen der Rahmenbedingungen (z.B. Habilitationsordnungen) und Vorleistungen in bestimmten Bereichen (Bsp. Baden-W?rttemberg) beginnen didaktische Qualifizierungsma?nahmen an Wert zu gewinnen. Sie sind auf dem Weg, zur Voraussetzung f?r eine erfolgreiche Hochschullaufbahn zu werden.

2. Welche Qualifizierungsm?glichkeiten gibt es zurzeit? Eine orientierende Bestandsaufnahme der Angebote

?bersicht

Zahlreiche medizinische Fakult?ten/Fachbereiche und andere Initiativen haben begonnen, f?r ihre Lehrenden didaktische Aus- und Weiterbildungsangebote zu entwickeln, entweder in Eigenregie oder in Kooperation mit anderen medizinischen Fakult?ten oder mit universit?ren Einrichtungen wie den Hochschuldidaktikzentren. Mancherorts werden besondere Institutionen geschaffen, um diesen Bedarf zu decken. Insgesamt bietet sich in der "Hochschuldidaktiklandschaft" einschlie?lich der Medizindidaktik ein buntes Bild an Themen und Konzeptionen [9].

Weltweit finden sich (medizin-)didaktische Qualifizierungsangebote auf ganz unterschiedlichem Niveau, von einfachen Kurzfortbildungen bis hin zu umfassenden mehrj?hrigen (Aufbau-)Studieng?ngen. Entsprechend unterschiedlich in der Wertigkeit sind die damit erworbenen Abschl?sse, die von einer Teilnahmebescheinigung ?ber diverse Scheine, Diplome und Zertifikate bis hin zu akademischen Abschl?ssen wie dem "Masterdegree" reichen [10].

Masterprogramme

Seit den neunziger Jahren ist die Zahl der hochschuldidaktischen Aus- und Weiterbildungsangebote auf allen Qualifizierungsniveaus exponentiell gestiegen. Einen Eindruck dieser Entwicklung vermittelt die Arbeit von Cohen et al. [11], die ohne Anspruch auf Vollst?ndigkeit eine ?bersicht ?ber Master-Programme in den englischsprachigen L?ndern inklusive der Niederlande geben. Sie fanden bei ihrer systematischen Recherche 21 aktuell arbeitende Masterprogramme f?r medizinische Ausbildung: USA: 6; UK: 8; Canada: 3; Australien: 3; Holland: 1. Zum Vergleich: 1998 fanden Cusimano und David [12] neun Master-Studieng?nge. Auch im deutschsprachigen Raum existieren derzeit zwei Programme zum Master of Medical Education (MME): (1) MME Bern, gegr?ndet 1999 (http://www.mme.iml.unibe.ch), (2) MME Deutschland, seit 2004 als Kooperation mit anderen deutschen Fakult?ten in Heidelberg etabliert (http://www.mme-d.de).

Angebote auf Fakult?tsebene

An den medizinischen Fakult?ten in Deutschland gibt es in der Regel bisher kein systematisches, auf das Gesamtbild des/r Hochschullehrenden in der Medizin abgestimmtes Qualifizierungsangebot. An den meisten Fakult?ten finden sich eher punktuelle Angebote von Einzelkursen zum Beispiel f?r Fertigkeiten wie Moderation, Vorlesungsrhetorik o.?.. Gleichzeitig f?llt auf, dass sich in den Fakult?ten, die bereits fr?h entscheidende Umstrukturierungen in Gang gesetzt haben, ?berproportional h?ufig medizindidaktisch hoch qualifizierte, professionell ausgebildete Personen finden (z.B. mit MME-Ausbildung), die dort auf eine Professionalisierung der Lehre hinarbeiten konnten (z.B. Berlin, Dresden, D?sseldorf, Freiburg, Hamburg, Heidelberg, K?ln, M?nchen, T?bingen, Ulm).

Landesweite Aktivit?ten (Kompetenzzentren)

Einige Institutionen haben bereits auf die gestiegene Nachfrage nach strukturierten Angeboten reagiert, indem sie koh?rente Qualifizierungsprogramme anbieten. Vorreiter ist hier das Kompetenzzentrum f?r Hochschuldidaktik in Medizin in T?bingen, das seit 2001 unter Einbindung der Fakult?ten in Freiburg und Ulm ein Curriculum f?r einen zweistufigen Qualifizierungsgang in Medizindidaktik entwickelt hat [13] (http://www.medidaktik.de oder http://didaktik.medizin-bw.de/). Inzwischen haben sich auch die medizinischen Fakult?ten Heidelberg und Mannheim angeschlossen. Der erfolgreiche Abschluss des gesamten Programms wird in Baden-W?rttemberg bereits ministeriell zertifiziert. Zuvor musste das Konzept des Kompetenzzentrums durch zwei international besetzte Gremien erfolgreich evaluiert werden (HDZ / MWK-Programmbeirat 2002, wissenschaftlicher Beirat des Kompetenzzentrums Medizindidaktik 2003).

Nach Absolvieren der beiden Qualifikationsstufen "Medizindidaktische Qualifikation I" und "Medizindidaktische Qualifikation II" erhalten die Lehrenden der f?nf medizinischen Fakult?ten des Landes seit 2003 das abschlie?ende ministerielle Zertifikat Hochschullehre Baden-W?rttemberg mit Schwerpunkt Medizindidaktik. Eine Anlage zum Zertifikat mit dem Stellenwert eines Diploma Supplement informiert ?ber Inhalte und Anforderungen. Vergleichbares ist in Nordrhein-Westfalen [14] in Vorbereitung. In Baden-W?rttemberg haben inzwischen mehr als 60 Lehrende das Zertifikat mit dem Schwerpunkt Medizindidaktik erworben, mit der Vergaberunde 2006 wird voraussichtlich die Zahl 100 ?berschritten.

An anderen Standorten hat man inzwischen begonnen, etablierte Einzelveranstaltungen in thematische Bl?cke auszubauen oder zusammenzufassen (wie z.B. die Arbeitsgruppe Medizindidaktik in D?sseldorf (http://www.medidak.de/didaktik), "Aktiv in der Lehre"-Projekt der Medizinischen Hochschule Hannover).

Situation in Europa

Angesichts der wachsenden Mobilit?t der Wissenschaftler/innen muss auch ein Auge auf die europaweite Situation im Sinne einer EU-Kompatibilit?t geworfen werden. ?hnliche Entwicklungen wie an den deutschen Fakult?ten sind auch bei unseren deutschsprachigen Nachbarn zu beobachten (?sterreich: Medizindidaktische Angebote z.B. in Graz, Innsbruck, Wien; in der Schweiz: z.B. in Bern, Genf, Lausanne, Z?rich). In anderen europ?ischen L?ndern wie z.B. D?nemark [15] und Norwegen [16] ist die didaktische Qualifizierung f?r junge Lehrende obligatorisch. Auch an jeder britischen Universit?t ist die Hochschuldidaktik mittlerweile institutionalisiert, der Nachweis einer qualifizierten didaktischen Ausbildung ist die Voraussetzung f?r eine Dauerstellung [17]. Im letzten Jahrzehnt ist auch in Gro?britannien die Zahl der Medical Schools, die nicht nur Didaktikkurse anbieten, sondern sogar ein "department of medical education" eingerichtet haben, sprunghaft angestiegen [18].

Angesichts dieser Vielf?ltigkeit der Angebote muss die grunds?tzliche Frage nach dem quantitativen und qualitativ-inhaltlichen Ausbildungsbedarf in den deutschen medizinischen Fakult?ten gestellt werden ("Wer sollte wie intensiv medizindidaktisch ausgebildet sein?").

Zusammenfassung und Ausblick

Ma?geblich unter wachsenden externen Druck hat die didaktische Qualifizierung in den medizinischen Fakult?ten an Stellenwert gewonnen. Im Rahmen der Professionalisierung der medizinischen Lehre ist eine p?dagogisch-didaktische Ausbildung der Lehrenden unumg?nglich. Aktuell gibt es ein breit gef?chertes Angebot an medizindidaktischen Qualifikationen, das von einfachen unstrukturierten Kurzfortbildungen bis hin zu umfassenden mehrj?hrigen (Aufbau-)Studieng?ngen mit "Master-Degree" reicht. Im internationalen Vergleich fehlt in Deutschland ein allgemein verbindliches "Basis-Programm". Dies ist bisher nur lokal umgesetzt.

Im zweiten Teil dieser Artikelserie geht es zun?chst um die Frage nach dem Ausbildungsbedarf, der an den medizinischen Fakult?ten besteht. Damit eng verbunden ist die Ausarbeitung eines Anforderungsprofils, das Qualifizierungsangebote erf?llen sollten, um diesen Bedarf erfolgreich decken zu k?nnen.

Anmerkung

F?r den Bereich der Medizindidaktik ist eine Bestandsaufnahme bisher nur l?ckenhaft m?glich; eine systematische Erhebung wird derzeit durchgef?hrt. Als Beispiel seien hier genannt: [19], [20], [21].

Hinweis

Steinert Y, Mann K, Centeno A, Dolmans D, Spencer J, Gelula M, Prideaux D. BEME Guide NO 8: A systematic review of faculty development initiatives designed to improve teaching effectiveness in medical education. Med Teach. 2006;BEME Guide No 8: im Druck. Zug?nglich unter: http://www.bemecollaboration.org/bemebibl.htm.


References

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[3] Ministerium f?r Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-W?rttemberg. Bericht der Sachverst?ndigenkommission zur Bewertung der Medizinischen Ausbildung (BeMA). Stuttgart: Ministerium f?r Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-W?rttemberg: 2001. Zug?nglich unter: http://www.mwk-bw.de/Online_Publikationen/Medizinische_Ausbildung.pdf.
[4] KMK Kultusministerkonferenz. Qualit?tssicherung / Evaluation der Lehre: Die deutsche Position im europ?ischen Kontext. (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 15. September 2000). Bonn: KMK; 2000. Zug?nglich unter: http://www.kmk.org/doc/beschl/qualitae.pdf.
[5] Wissenschaftsrat. Empfehlungen zu forschungs- und lehrf?rderlichen Strukturen in der Universit?tsmedizin. Jena: Wissenschaftsrat. 2004:5913/04. Zug?nglich unter: http://www.wissenschaftsrat.de/liste_wr.htm.
[6] Bundesministerium f?r Gesundheit und Frauen. Approbationsordnung f?r ?rzte (?APPO) vom 27. Juni 2002. Bundesgesetzbl. 2002;TEIL I NR. 44: 2405-2435.
[7] Berendt B. Academic Staff Development (ASD) als Bestandteil von Qualit?tssicherung und -entwicklung. In: Berendt B, Voss HP, Wildt J. Neues Handbuch Hochschullehre. Berlin: Raabe Fachverlag f?r Wissenschaftsinformation; 2002.
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