E-Learning: Aktueller Stand und Chancen in der Allgemeinmedizin
Andreas C. S?nnichsen 1Uta-Maria Waldmann 2
Horst Christian Vollmar 3
Jochen Gensichen 4
1 Abteilung f?r Allgemeinmedizin, Pr?ventive und Rehabilitative Medizin, Philipps-Universit?t Marburg, Marburg, Deutschland
2 Abteilung Allgemeinmedizin, Universit?t Ulm, Ulm, Deutschland
3 Medizinisches Wissensnetzwerk evidence.de, Kompetenzzentrum f?r Allgemeinmedizin und ambulante Versorgung, Universit?t Witten/Herdecke, Witten, Deutschland
4 Institut f?r Allgemeinmedizin, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universit?t, Frankfurt/Main, Deutschland
Editorial
Hinter dem Begriff E-Learning ("elektronisches Lernen") verbirgt sich eine Vielzahl unterschiedlichster Lehr- und Lernformen, die elektronische Medien einsetzen. W?hrend urspr?nglich lokal installierte Computerprogramme zum Einsatz kamen (Computer-assisted Learning [CAL]), findet E-Learning heute meistens im Internet oder in einem Intranet statt (Web-based Learning [WBL]). Die Bandbreite der E-Learning-Angebote erstreckt sich dabei von der einfachen, ?ber das Internet aufrufbaren Textseite bis zum didaktisch optimal durchstrukturierten, interaktiven Lernprogramm. Da es sich beim WBL um einen zukunftstr?chtigen Markt handelt, sieht man sich als Anwender mit einer zunehmend un?berschaubaren, wachsenden Anzahl von Produkten und Dienstleistungen konfrontiert, deren Qualit?t und Preis ein weites Spektrum umfassen.
Das Verlockende an der Lehrmethode ist, dass Lerninhalte zeitlich und r?umlich unabh?ngig vermittelt werden k?nnen. Die pers?nliche Anwesenheit des Lehrenden ist nicht mehr erforderlich. Fragen und Probleme der Studierenden werden in einem Forum behandelt, in das Lernende und Lehrende vom h?uslichen Computer aus Fragen und Antworten einstellen k?nnen, entweder per E-Mail oder direkt online. Auch die Lernenden k?nnen bequem vom eigenen Schreibtisch aus die Lerninhalte zu einer frei gew?hlten Zeit abrufen und bearbeiten. Hierdurch k?nnen vor allem die Lehrenden zeitlich erheblich entlastet werden. Bei engen Stundenpl?nen ist die freie Zeiteinteilung allerdings auch f?r die Studierenden von erheblichem Vorteil. Dar?ber hinaus kann durch Hyperlinks auf web-basiertes Wissen au?erhalb des unmittelbaren Kurses zur?ckgegriffen werden [1].
W?hrend E-Learning in der Erwachsenenbildung, der betrieblichen Aus-, Fort- und Weiterbildung und im schulischen Bereich bereits relativ regelm??ig eingesetzt wird, ist WBL in der universit?ren medizinischen Ausbildung eher noch eine Ausnahme. Allerdings ist eine stark steigende Tendenz in der Entwicklung universit?rer Lernplattformen und Kursangebote zu verzeichnen. Insgesamt handelt es sich jedoch bisher um ?berwiegend punktuelle Angebote, denen der konsequente systematische Zusammenhang einer strukturierten medizinischen Ausbildung fehlt. Dies ist nat?rlich einerseits dadurch bedingt, dass in den klinischen F?chern der direkte Patientenkontakt nicht durch E-Learning-Module ersetzt werden kann. Zum anderen spielt aber sicherlich auch eine gewichtige Rolle, dass die Entwicklung von WBL eher auf Einzelinitiativen interessierter und motivierter Dozenten basiert als auf einer strukturierten Integration in das medizinische Curriculum insgesamt.
Der Kongress „E-Learning - Aktueller Stand und Chancen in der Allgemeinmedizin" in Frankfurt vom 8. und 9. Juli 2005 hat dazu beitragen, E-Learning als systematischen Bestandteil in der medizinischen Aus-, Weiter- und Fortbildung zu etablieren. Dies ist zum einen w?nschenswert, um die traditionelle universit?re Pr?senzlehre durch interaktive, problem-orientierte Lehre zu erg?nzen. Zum anderen besteht auch eine zwingende Notwendigkeit, weil die Lehrerfordernisse mit der neuen Approbationsordnung besonders in der Allgemeinmedizin dramatisch zugenommen haben, ohne dass die ?konomischen Mittel zur Verf?gung stehen, die f?r eine entsprechend verbesserte Ausstattung der Abteilungen mit Lehrkr?ften erforderlich w?ren. Im Gegenteil k?mpfen an vielen Universit?ten in Deutschland nach wie vor lehrbeauftragte niedergelassene Allgemein?rzte mit knappen Ressourcen ohne eigene universit?re Abteilung f?r die Realisierung einer Lehre, die den wachsenden Anforderungen gerecht werden soll. Die Kurzfassungen der Beitr?ge zu diesem Symposium finden sich in diesem Heft der GMS Z Med Ausbild nach dem Beitrag von ?chsner, Gelzenlichter und Schirmer.
In dem Symposium geht es auch darum, die Grenzen von E-Learning aufzuzeigen. In zahlreichen Studien konnte belegt werden, dass E-Learning der Pr?senzlehre bez?glich des Wissenszuwachses allenfalls ebenb?rtig ist [2]. Auch gegen?ber dem Lernen aus schriftlichem Lehrmaterial zeichnet sich keine signifikante ?berlegenheit f?r E-Learning-Module ab [3], wenn auch der gleiche Lernerfolg m?glicherweise mit WBL in k?rzerer Zeit erreichbar ist [4]. Dar?ber hinaus h?ngt die Effektivit?t von E-Learning-Einheiten nicht nur von der Qualit?t des Lernmoduls ab, sondern auch vom cognitiven oder Lerntyp des Lernenden sowie seinen Vorerfahrungen und Kenntnissen im Umgang mit web-basierter und Computertechnologie [5]. Und es bleibt nat?rlich das Manko, dass im E-Learning-Kontext weder ein direkter Patientenkontakt hergestellt werden kann, noch die M?glichkeit zur ?bung ?rztlicher Gespr?chs- und Untersuchungstechnik besteht.
Aus diesen Gr?nden werden in der klinischen Ausbildung fast ausschlie?lich Lerneinheiten eingesetzt, die auf der Basis von "Blended Learning" aus (erg?nzenden) WBL-Modulen und herk?mmlicher oder interaktiver Pr?senzlehre bestehen.
Das Symposium zum E-Learning in der Allgemeinmedizin versucht, einen ?berblick ?ber das momentane Spektrum an WBL-Modulen und -Initiativen im weitesten Sinne zu geben. Dies spiegelt sich in den Kongress-Abstracts in diesem Heft wider, die thematisch sowohl generelle Informationen zum Thema E-Learning als auch die universit?re medizinische Ausbildung, die Weiterbildung zum Facharzt f?r Allgemeinmedizin und die berufsbegleitende Fortbildung mit einschlie?en. Auf dem "Markt der M?glichkeiten" werfen wir zudem einen Blick ?ber den Zaun: Welche M?glichkeiten des WBL werden in anderen medizinischen Disziplinen genutzt? Welche Plattformen f?r die Pr?sentation von WBL-Modulen werden angeboten? Wie erfolgt die Integration von WBL in bestehende Curricula? Wie werden die WBL-Module evaluiert? Gerade bez?glich der Evaluation konkreter (qualit?tsbezogener) Aspekte von WBL-Modulen im unmittelbaren Vergleich zu WBL-Modulen ohne das zu untersuchende Qualit?tsmerkmal ist unser Wissen bisher nur l?ckenhaft [6]. F?r die zuk?nftige Planung von WBL-Projekten in der Allgemeinmedizin ist es daher von gro?em Interesse, hier von bereits anderweitig erprobten Lehr- und Evaluationsstrategien zu profitieren.
Nach der Bestandsaufnahme sollen die zuk?nftigen Chancen des E-Learnings in der Allgemeinmedizin und in der medizinischen Aus-, Weiter- und Fortbildung generell beleuchtet werden. Hier geht es zum einen um die Qualit?tssicherung bei der Erstellung entsprechender Lernmodule, da der erfolgreiche Einsatz von WBL-Modulen unter anderem von der Beachtung einiger wichtiger Regeln beim Design der Lerneinheiten abh?ngt [7]. Zum anderen stellt ein weiterer wichtiger Kernpunkt der Diskussion die Systematisierung und Koordinierung der diesbez?glichen Aktivit?ten an deutschsprachigen Hochschulen dar, mit dem Ziel, als Ergebnis des Symposiums ein breites kreatives Netzwerk zur Bewerkstelligung dieser anstehenden Aufgaben zu gr?nden.
Literatur
[1] McKimm J, Jollie C, Cantillon P. ABC of learning and teaching: Web based learning. BMJ 2003; 326(7394):870-873.[2] Chumley-Jones HS, Dobbie A, Alford CL. Web-based learning: sound educational method or hype? A review of the evaluation literature. Acad Med 2002; 77(10 Suppl):S86-S93.
[3] Cook DA, Dupras DM, Thompson WG, Pankratz VS. Web-based learning in residents' continuity clinics: a randomized, controlled trial. Acad Med 2005; 80(1):90-97.
[4] Bell DS, Fonarow GC, Hays RD, Mangione CM. Self-study from web-based and printed guideline materials. A randomized, controlled trial among resident physicians. Ann Intern Med 2000; 132(12):938-946.
[5] Cook DA. Learning and cognitive styles in web-based learning: theory, evidence, and application. Acad Med 2005; 80(3):266-278.
[6] Cook DA. The research we still are not doing: an agenda for the study of computer-based learning. Acad Med 2005; 80(6):541-548.
[7] Cook DA, Dupras DM. A practical guide to developing effective web-based learning. J Gen Intern Med 2004; 19(6):698-707.