Computereinsatz und "E-Learning" im Lehrprojekt Biometrie
Rainer Muche 1Kerstin Seefried 1
1 Universit?t Ulm, Abteilung Biometrie und Medizinische Dokumentation, Ulm, Deutschland
Zusammenfassung
Ausgehend von der Notwendigkeit einer Ver?nderung der Lehre nach neuer ?AppO wird in dem Lehrprojekt Biometrie die Lehre in dem Fach n?her herangebracht an die "neuen Medien" und gleichzeitig versucht, die Motivation bei den Studierenden zu erh?hen. Dabei wird durch den Einsatz eines computergest?tzten Lehrsystems dem heutigen Lernen n?her gekommen. Eine nachvollziehbare Nachhaltigkeit des Erlernten und demnach eine Motivationssteigerung soll das Erlernen eines Statistiksoftwareprogrammes erbringen. Eine Einbindung in ein komplexeres medizinisches Beispiel soll ebenfalls diese Motivationssteigerung bewirken. Das Projekt wird in diesem Semester (SS 2005) zum ersten Mal umgesetzt so dass bisher wenige Erfahrungswerte und keine Daten f?r einen Vergleich vorliegen.
Projektbeschreibung
1. Ausgangssituation und Ziele des Projekts
Die neue Approbationsordnung f?r ?rzte f?hrte zu einer Umstrukturierung des Studiengangs der Humanmedizin. Mit dem Aspekt, f?cher?bergreifendes Denken zu f?rdern wurden so genannte Querschnittsf?cher eingef?hrt. Zusammen mit der Epidemiologie und der Medizin-Informatik geh?rt die Medizinische Biometrie jetzt zum Querschnittsfach 1. Um den bis dahin abgehaltenen Kurs Biometrie diesen neuen Gegebenheiten anzupassen, ist eine ?berarbeitung und eine Umstrukturierung sinnvoll.
Ein wichtiger Faktor bei ?berlegungen zur ?berarbeitung und Ver?nderung der Lehre im Fach Biometrie ist die fehlende Motivation der Studierenden, sich den Lehrinhalten zu n?hern. Im 5. Semester (1. Klinisches Semester) ist den Studierenden die Notwendigkeit des Stoffes f?r ihr weiteres Studium, Dissertation und Beruf nicht klar, sie wollen nach der Vorklinik im Wesentlichen klinisch t?tig sein. Dazu kommt, dass durch die Anzahl der Studierenden (etwa 250 Studenten) und die fehlende technische Ausstattung bisher "nur" ?bungen f?r statistische Auswertungen mit dem Taschenrechner anhand sehr kleiner Fallbeispiele m?glich sind. Die Studenten wissen aber, dass Sie sp?ter, falls ?berhaupt, mit Computerprogrammen Auswertungen anzufertigen haben und so darauf nicht vorbereitet werden. Die kleinen Beispiele k?nnen auch nicht medizin- und/oder forschungsrelevant sein, so dass ein Mehrwert im Sinne neuer Kenntnisse in der Medizin nicht m?glich ist.
Ein wesentlicher Faktor f?r die M?glichkeit von Ver?nderungen in der Lehre des Faches sind die steigenden Anspr?che und Kenntnisse der Studierenden. Dazu geh?ren ganz wesentlich Lehrmethoden und -materialien, die zu den "neuen Medien" gez?hlt werden. Dieser Ansatz soll hier auch in der Biometrielehre durch die Bereitstellung und Nutzung eines E-Learningsystems unterst?tzt werden.
Um den Praxisbezug im Kurs Biometrie in diesem Querschnittsfach zu st?rken und eine Nachhaltigkeit f?r das weitere Studium zu erwirken soll im Lehrprojekt "Biometrie" der Unterricht anhand einer Statistiksoftware gelehrt werden. Dadurch werden die Studenten in die Lage versetzt, eigene Forschungsarbeiten wie eine Dissertation mit den erworbenen Kenntnissen durchf?hren zu k?nnen. Zus?tzlich soll eine Motivationssteigerung durch die semesterbegleitende durchgehende Nutzung eines forschungsrelevanten aktuellen Datensatzes erreicht werden. Nicht zuletzt soll die Verschiebung des Kurses in das 7. Semester eine Verbesserung bzgl. der Einsch?tzung der Notwendigkeit des Kurses bringen.
2. Umsetzungskonzeption und Stand des Projekts
Viele Aspekte der unter 1. beschriebenen Umsetzungsziele sind von uns in den letzten Jahren unabh?ngig von der Ver?nderung der Lehre im Fach Biometrie bearbeitet worden (z.B. Erstellung eines internetbasierten Thematischen Verzeichnisses f?r das Fach [1] und Publikation eines Lehrbuches f?r die Handhabung einer Statistiksoftware [3]). Dazu kam dann zu Beginn des Projektes eine umfangreiche Recherche bzgl. der einzusetzenden Systeme und Lehrmaterialien [5]. Unter verschiedenen Rahmenbedingung wurden u.a. folgende Festlegungen f?r den Einsatz in der Lehre getroffen: die Lizenzierung darf keine zus?tzlichen Kosten verursachen und die vorhandenen PC-Pools m?ssen ausreichen.
E-Learning System (JUMBO)
Von Kollegen der Universit?t M?nster steht das Lehr- und Lernsystem JUMBO frei im Netz. Es sind dort neben erl?uternden Texten mehr als 60 animierte Applikationen und Aufgaben f?r viele Inhalte der Medizinstatistik zu finden [2]. Das System deckt fast den gesamten Vorlesungsplan des Kurses Biometrie ab, besitzt eine ?bersichtliche Benutzeroberfl?che und ein zus?tzliches Glossar (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).
Statistiksoftware (SAS-Analyst)
Die jahrelange Erfahrung mit Einf?hrungskursen in das Statistiksystem SAS-Analyst kommt dem Lehrprojekt zugute. Neben didaktisch aufbereiteten Lehreinheiten existiert ein umfangreiches Lehrbuch [3], was hier eingesetzt werden kann. SAS-Analyst besitzt eine vereinfachte benutzerfreundliche, maus- und men?gesteuerte Oberfl?che, so dass ein Einstieg auch f?r unerfahrene Nutzer m?glich ist. SAS-Analyst ist auf den PC-Pools der Universit?t Ulm installiert und kann zu g?nstigen Konditionen ?ber eine Landeslizenz bezogen werden.
Relevanter Datensatz (Diabetes bei adip?sen Kindern und Jugendlichen)
Bei dem medizinisch relevanten Datensatz handelt es sich um Daten aus einem Forschungsprojekt der Universit?tskinderklinik Ulm [4] aus einer Beobachtungsstudie in der Kinderklinik Hochried in Murnau. Adipositas und Diabetes mellitus sind Volkskrankheiten, mit denen sich alle Medizinstudenten befassen sollten, im Zusammenhang mit Kindern wird eventuell auch ein zus?tzlicher emotionaler Bezug zum Thema hergestellt. Der Originaldatensatz wurde f?r den Einsatz im Lehrprojekt reduziert (219 von 520 Beobachtungen, 82 von 211 Variablen), ist in der Gr??e allerdings ausreichend, um die Vorz?ge einer computergest?tzten Analyse aufzuzeigen. Die Studenten haben eine Verpflichtungserkl?rung zu unterschreiben, dass sie die Daten nicht weitergeben und nur f?r den Kurs nutzen werden.
Lehrmaterialien
F?r den Kurs mussten umfangreiche neue Lehrmaterialien erstellt werden. F?r jede ?bungsstunde sind jeweils ein Dozentenhandbuch, ein Powerpoint-Vortrag (Input) des Stoffes, ?bungsaufgaben und Musterl?sungen entstanden. Dar?ber hinaus bekommen die Studierenden eine CD mit den Daten, relevanten Ver?ffentlichungen, und zus?tzlichen Informationen zur Begleitung im Kurs sowie ein Exemplar des SAS-Analyst-Lehrbuches.
Internetauftritt
Zur Informationsweitergabe und zur ?bersichtlichen Darstellung des Kurses und der Spezifika sowie des Downloads relevanter Kursmaterialien wie z.B. der Musterl?sungen (mit Passwort) wurde ein zweigeteilter Internet-Auftritt ins Internet gestellt. Die allgemeinen Angaben zum Kurs, Hintergrundinformationen und die Anmeldung sind unter dem System TypO3 auf den Fakult?tsseiten der Medizin in Ulm unter dem Punkt E-Learning / Veranstaltungen / Biometrie realisiert, semesterspezifische Seiten sind unter der Homepage der Abteilung Biometrie abgelegt und verlinkt worden.
Evaluation
Selbstverst?ndlich muss ein neues Lehrkonzept evaluiert werden. Vorbereitet ist eine begleitende ergebnisorientierte Evaluation anhand zweier Frageb?gen (Anfang / Ende des Semesters) und der Punktergebnisse aus zwei Pr?fungen. Die erste Evaluation dieses Jahr wird allerdings nur orientierende Ergebnisse erbringen da die Teilnahme an dem Kurs nicht randomisiert wurde und die Fallzahl noch zu klein ist.
Literatur
[1] Bochev V. Entwicklung und Umsetzung eines internetbasierten thematischen Verzeichnisses f?r die Biometrie / Epidemiologie / Public Health. Masterarbeit im Fach Public Health. Ulm: Universit?t Ulm; 2003. Zug?nglich unter: http://www.uni-ulm.de/uni/fak/medizin/biodok/viktor/index.htm.[2] Heinecke A, K?pcke W. JUMBO - Java unterst?tzte M?nsteraner Biometrie-Oberfl?che, Version 6.8. M?nster: Universit?t M?nster; 2002. Zug?nglich unter: http://medweb.uni-muenster.de/institute/imib/lehre/skripte/biomathe/jumbo.html.
[3] Muche R, Habel A, Rohlmann F. Medizinische Statistik mit SAS-Analyst. Berlin: Springer Verlag; 2000.
[4] Wabitsch M, Hauner H, Hertrampf M, Muche R, Hay B, Mayer H, Kratzer W, Debatin KM, Heinze E. Type II diabetes mellitus and impaired glucose regulation in caucasian children and adolescents with obesity living in Germany. Int J Obes Relat Metab Disord. 2004;28(2):307-313.
[5] Weirather-Heerlein S. Konzeption des Lehrprojektes "Biometrie" f?r StudentInnen der Humanmedizin an der Universit?t Ulm. Diplomarbeit im Fach Medizinische Dokumentation und Informatik. Ulm: Fachhochschule Ulm; 2004.