journal_logo

GMS Journal for Medical Education__Temp

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

2366-5017__Temp


Kommentar
Humanmedizin

Auswirkungen der Neustrukturierung der Hochschulbildung im Kontext des sogenannten Bologna-Prozesses auf das Medizinstudium in Deutschland

 J?rgen von Troschke 1

1 Albert-Ludwig-Universit?t Freiburg, Abteilung f?r Medizinische Soziologie, Freiburg, Deutschland




Zusammenfassung

In der Folge einer von der "Service-Stelle Bologna" der Hochschulrektorenkonferenz, HRK, am 14./15.10.2005 veranstalteten Tagung zum Thema "Potenziale und Grenzen des europ?ischen Reform-Prozesses f?r die Medizin und die Gesundheitswissenschaften in Deutschland" hat sich die Delegiertenversammlung der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) am 12. November 2005 mit der Frage nach den Konsequenzen f?r die wissenschaftlichen F?cher der Medizin befasst.

In meinem Beitrag vertrete ich die These, dass weniger die Neustrukturierung der Studieng?nge in 3 Stufen (BA-, MA- und PHD-Studium), als vielmehr die Modularisierung von Lernprozessen, Auswirkungen auf die Neustrukturierung der Medizinischen Fakult?ten haben k?nnte. Um eine hinreichende Vertretung auch der sog. kleinen F?cher sicherzustellen, wird vorgeschlagen Basismodule mit eindeutigen Beitr?gen der verschiedenen Medizinischen Fachgebiete zu entwickeln, die an allen Medizinischen Fakult?ten gelehrt werden sollten, um eine einheitliche Grundausbildung sicherzustellen, die dann durch hochschulspezifische Profilbildungen erg?nzt werden k?nnte.

Bologna-Prozess

Im Juni 1999 haben die Bildungsminister aus 29 europ?ischen L?ndern in Bologna in Italien eine Stellungnahme zur Schaffung eines europ?ischen Hochschulraumes bis zum Jahre 2010 und zur St?rkung der Wettbewerbsf?higkeit Europas als Bildungsstandort beschlossen und damit einen dynamischen Entwicklungsprozess in Gang gesetzt. In der Folge wurden 4 weitere Konferenzen durchgef?hrt, auf denen weitergehende Konkretisierungen entschieden wurden. Auf der im Mai 2005 in Bergen in Norwegen abgehaltenen Konferenz waren 40 L?nder vertreten, die gemeinsam den Abschluss des sog. Bologna-Prozesses bis zum Jahr 2010 beschlossen haben.

F?r die Bundesrepublik Deutschland konnte die Hochschulrektorenkonferenz feststellen, dass im Sommersemester 2005 an deutschen Universit?ten und Fachhochschulen von den insgesamt 11286 Studienm?glichkeiten schon 2934, d.h. 26% auf Bachelor- und Master-Studieng?nge umgestellt worden waren.

Nach den Statistiken der HRK wurden an deutschen Hochschulen in der F?chergruppe AGesundheitswissenschaften, Medizin@ 660 Bachelor- und Masterstudieng?nge im Sommersemester 2005 angeboten (25% der Studienangebote in diesem Bereich [7]). Neben den traditionell akademischen Gesundheitsberufen (Arzt, Apotheker, Tierarzt und Zahnarzt) wurden in den letzten Jahren neue Hochschulstudieng?nge f?r andere Gesundheitsberufe entwickelt und eingef?hrt (z.B. Pflegewissenschaft, Pflegemanagement, Pflegep?dagogik, Gesundheits- und Sozialmanagement, Gesundheitsp?dagogik, Logop?die, Heilp?dagogik, Musiktherapie, Ergo- und Physiotherapie und Klinische Sozialabeit).

Neustrukturierung der ?rztlichen Ausbildung

An den Medizinischen Fakult?ten und in den ?rzteorganisationen und -verb?nden wurde lange Zeit davon ausgegangen, dass die Entwicklungen im sog. Bologna-Prozess auf die Ausbildung von ?rzten keine Auswirkungen haben w?rde. Im Kontext von Initiativen der Hochschulrektorenkonferenz und Entwicklungen im Europ?ischen Ausland (insbesondere der Schweiz) werden nunmehr auch in Deutschland die diesbez?glichen Fragen diskutiert. Dabei l?sst sich feststellen, dass es offenkundig nicht leicht f?llt, das ohne Emotionen zu tun (siehe z.B. UNI-SPIEGEL 29.09.2005 [8]). Daf?r sind vor allem 5 Gr?nde anzuf?hren.

(1) Die Medizinischen Fakult?ten haben gerade damit begonnen, die mit weitreichenden Innovationen verbundene neue Approbationsordnung f?r ?rzte (?AppO) umzusetzen; und das unter schwierigen Bedingungen.

(2) Die Umsetzung der Kapazit?tsverordnung (KapVO) f?hrt dazu, dass die Medizinischen Fakult?ten sich permanent vor Gericht rechtfertigen m?ssen.

(3) Die Universit?tskliniken sind von weitreichenden strukturellen Ver?nderungen betroffen als Folge von Mittelk?rzungen, der Umstellung der Tr?gerschaften und der Einf?hrung von DRG=s.

(4) Professoren, Abteilungen, Institute und Kliniken m?ssen sich einer permanenten ?berpr?fung ihrer Leistungen stellen mit der Konsequenz einer leistungsorientierten Mittelvergabe (LOM).

(5) Schlie?lich sieht sich die ?rztliche Profession konfrontiert mit kontinuierlicher Kritik, wachsendem Misstrauen in der Berichterstattung der ?ffentlichen Medien und den gesundheitspolitischen Diskussionen.

Soziologen sprechen in diesem Zusammenhang von Tendenzen der Deprofessionalisierung und einem Statusverlust des Arztberufes [10].

Somit ist es mehr als verst?ndlich, wenn die Bereitschaft innerhalb der ?rzteschaft gering ist, sich mit neuen Konzepten f?r die ?rztliche Ausbildung auseinanderzusetzen, insbesondere, wenn die Begr?ndungen auf den ersten Blick nicht sehr ?berzeugend sind.

Der Bedarf an einer weiteren europ?ischer Harmonisierung der ?rzteausbildung wird von vielen in Frage gestellt, zumal eine verbindliche EU-Richtlinie den einheitlichen Aufbau des Medizin-studiums mit der Vorgabe einer Ausbildungsdauer von mindestens 5.500 Kontaktstunden bzw. 6 Jahren regelt [3].

Die im Bologna-Prozess vorgesehene Einf?hrung einer gestuften Ausbildung mit einem Bachelor als erstem berufsqualifizierenden Abschluss provoziert die Frage, wozu ein "Bachelor in Medicine" f?hig sein soll, welches Berufsfeld daf?r in Frage k?me und ob m?glicherweise politisch eine Abwertung des Arztberufes bzw. die Einf?hrung von "Billig-?rzten" oder "Schmalspur-?rzten" intendiert sein k?nnte. Entsprechend heftig waren die Reaktionen der ?rztlichen Standesorganisationen. Die Arbeitsgemeinschaft Hochschulmedizin, bestehend aus dem Deutschen Hochschulverband, der Bundes?rztekammer, dem Marburger Bund, dem Medizinischen Fakult?tentag, der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften sowie der Bundesvereinigung der Landeskonferenz ?rztlicher und Zahn?rztlicher Leiter von Kliniken, Instituten und Abteilungen der Universit?ten und Hochschulen Deutschlands sah sich deshalb veranlasst am 25.08.2005 in Berlin in einer Pressekonferenz festzustellen, dass "die Qualifit?tsanforderungen an den Beruf des Arztes die Einf?hrung von konsekutiven Bachelor- und Master-Studieng?ngen in der Medizin" nicht zulassen [1].

Die World Federation for Medical Education (WFME) hat dagegen im Februar 2005 zusammen mit der "Association for Medical Education in Europe" (AMEE), der Association of Medical Schools in Europe (AMSE) und der World Health Organization (WHO Europa) ein "Statement on the Bologna Process and Medical Education" ver?ffentlicht und kommt dabei zu dem Ergebnis: "The organizations endorse the purpose of the Bologna declaration and support that medical education as a part of higher education should be fully involved in the Bologna process" [11].

Zur Kl?rung der in diesem Zusammenhang entstandenen Fragen wurde von der "Service-Stelle Bologna", der Hochschulrektorenkonferenz unter Beteiligung des Bundesministeriums f?r Bildung und Forschung, des Medizinischen Fakult?tentages, der Hochschulen f?r Gesundheit e.V. und der Medizinischen Fakult?t der Universit?t Bonn am 14./15. Oktober 2005 eine Arbeitstagung durchgef?hrt zur Diskussion von "Potenzialen und Grenzen des Europ?ischen Reformprozesses f?r die Medizin und die Gesundheitswissenschaften in Deutschland". Am ersten Tag wurden in englischer Sprache Vortr?ge von Repr?sentanten der European Medical Association (EMA), der European Medical Student Association (EMSA) sowie der World Federation for Medical Education (WFME) diskutiert. Anschlie?end wurden Erfahrungen des Auslandes in Schweden, England und der Schweiz vorgestellt. Am zweiten Tag wurden Stellungnahmen der Bundes?rztekammer, des Deutschen Medizinischen Fakult?tentages, der Gesellschaft f?r Medizinische Ausbildung (GMA), der Hochschulen f?r Gesundheit sowie der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland vorgestellt, um anschlie?end in Arbeitsgruppen verschiedene Teilaspekte zu diskutieren. Den Abschluss bildete eine Plenardiskussion mit einem Schlusswort des Pr?sidenten der Hochschulrektorenkonferenz Prof. P. Gaehtgens.

Es zeigte sich, dass der Informationsbedarf, insbesondere bei den deutschen Teilnehmern gro? war und viele Vorurteile bestanden, die relativiert und richtig gestellt werden konnten.

Konsequenzen f?r die Medizinischen Fakult?ten

Grundlegend war die Klarstellung, dass niemand beabsichtigt, dass diejenigen, die einen Bachelor in Medicine erhalten, ?rztlich t?tig sein sollen [6]. Es geht somit nicht um die Einf?hrung einer neuen Form von "Basis?rzten". Der Bachelor-Abschluss k?nnte dagegen hilfreich sein f?r die relativ hohe Anzahl derjenigen Studierenden, die in Deutschland ein Medizinstudium beginnen; offenkundig ohne die Approbation anzustreben. Obwohl die diesbez?glichen Statistiken nicht eindeutig sind, wird von einer Quote ?ber 40% gesprochen. Wenn man an die hohen Kosten und die lange Dauer eines Medizinstudiums denkt, das dann ohne eine formellen Abschluss beendet wird, spricht einiges f?r die Einf?hrung eines Bachelor-Grades, zumal davon ausgegangen werden kann, dass auf dem Gesundheitsmarkt daf?r durchaus eine Nachfrage besteht.

In diesem Zusammenhang versteht sich das Ausbildungskonzept, das in der Schweiz vom Wintersemester 2006/07 an durchgef?hrt werden wird. Danach werden die Medizinstudenten nach drei Jahren einen Bachelor in Medicine (180 ECTS) erhalten und anschlie?end konsekutiv ein auf zwei Jahre konzipiertes Masterstudium absolvieren (120 ECTS). Nach einem weiteren praxisbezogenen Wahlstudienjahr erfolgt ein Staatsexamen, dass obligatorisch f?r die Erteilung der Approbation, d.h. des eidgen?ssischen Arztdiplomes ist. Die Masterstudenten k?nnen sich aber auch entscheiden ein PhD-Studium anzuschlie?en und damit eine Karriere in der Forschung zu beginnen. Ein wesentlicher Bestandteil dieses Modells ist die Unterscheidung zwischen obligatorischen Kernmodulen und Wahlmodulen mit denen die Studierenden sich ihr spezifisches Ausbildungsprofil zusammenstellen k?nnen. So kann zum Beispiel ein chirurgisch interessierter Student auf Bereiche, die ihn weniger interessieren verzichten und daf?r eine vertiefte Ausbildung in Anatomie vorsehen, sowie sp?ter im Rahmen von Praktika im In- und Ausland verschiedene chirurgische Fachrichtungen kennenlernen. Forschungsinteressierte Studierende k?nnen an Forschungsprogrammen teilnehmen und w?hrend des Studiums in Forschungslabors arbeiten. Der Pr?sident der Schweizerischen Medizinischen Interfakult?tskommission, Prof. C. Bader, sieht in diesem Konzept M?glichkeiten zu einem generellen Ausbildungsrahmen im Bereich Gesundheit, in dem nicht nur zuk?nftige ?rztinnen und ?rzte, sondern auch all jene Zugang h?tten, die in irgendeiner Form medizinische Kenntnisse erwerben m?chten. Damit k?nnte es Motor sein zur Schaffung neuer Gesundheitsberufe und zwar vom technischen Bereich (f?r Ingenieure im Bereich Neurowissenschaften) ?ber Bereiche Gesundheitsrecht und -?konomie bis hin zu vertieften Studien im Pflegebereich (Krankenpflegerinnen, Physiotherapeuten usw.). Nach der Meinung von Bader h?tte dieses Modell den Vorteil, "dass zielgerichtete Ausbildungen m?glich w?ren. Den Bed?rfnissen der Industrie, der Verwaltungen und nicht zuletzt den Bed?rfnissen des Gesundheitssystems, welches einem steten Wandel unterworfen ist, k?nnte so optimal entsprochen werden" [2].

Weitergehender sind die Vorstellungen des Vereins "Hochschulen f?r Gesundheit e.V.". Prof. E. G?pel von der FH Magdeburg-Stendal stellte ein "Memorandum zur Ausbildung in den Gesundheitsberufen" vor, das ein einheitliches, gemeinsames BA-Studium mit der Fokussierung auf den "gesunden Menschen" vorsieht mit einer anschlie?enden Spezialisierung in Master-studieng?nge f?r verschiedene Gesundheitsberufe, von denen einer der des Arztes sein soll. Ein Konzept, das auf der HRK-Tagung zur Kenntnis genommen, aber nicht weiter diskutiert wurde [4].

Konsensus bestand dagegen darin, dass der Bologna-Prozess weit mehr bedeutet als die Einf?hrung gestufter Studieng?nge. Es geht vor allem um die Verbesserung der Qualit?t der Hochschulausbildung, die Erh?hung der Mobilit?t f?r Dozenten und Studierende sowie die Erh?hung der Transparenz f?r alle direkt und indirekt Beteiligten, d.h. die Anbieter von Studieng?ngen, die (potenziellen) Studierenden und schlie?lich die potenziellen Arbeitgeber.

Dabei ist die Modularisierung, die Einf?hrung von Credit-Punkten und die vergleichende Benotung von Leistungen (nach dem ECTS-System) von besonderer Bedeutung.

Bedeutung f?r die Medizinischen Fachgebiete

Bisher ist die Lehre an den Medizinischen Fakult?ten in Deutschland so organisiert, dass Fachvertreter im Rahmen der Studienpl?ne ihrer Fakult?t, entsprechend den Vorgaben der ?rztlichen Approbationsordnung ihrer Lehrdeputate, Lehrveranstaltungen anbieten und durchf?hren. Die Lehrleistungen werden in Semesterwochenstunden (SWS) gemessen, der Lehrerfolg, wenn ?berhaupt, in Pr?fungen zum Semesterende. Die Studierenden sind selber daf?r verantwortlich, die zum Bestehen der Staatsexamen notwendigen Kenntnisse zu erwerben. Vorherrschend war der Fachbezug, das zur Verf?gung stehende Lehrdeputat (in Semesterwochenstunden) und das Lehrengagement der Professoren (im Kontext einer im Grundgesetz garantierten Freiheit von Forschung und Lehre). Da die Lehrleistungen nur wenig zur Reputation des Wissenschaftlers beitrugen, war das Lehrengagement begrenzt und wurde eher als zus?tzlich erbrachte Leistung verstanden. Die Orientierung am fachlichen Selbstverst?ndnis der Dozenten und ihrem Lehrdeputat sowie die Freiheit der Gestaltung der Inhalte und der Didaktik wird schon seit einiger Zeit, insbesondere unter dem Anspruch der Gew?hrleistung eines qualitativ hochwertigen Hochschulstudiums in Frage gestellt. Der Bologna-Prozess sieht dementsprechend grundlegende Neuorientierungen vor.

- Abl?sung der bisherigen Input-Orientierung, mit der Vermittlung von Lehrinhalten durch eine Outcome-Orientierung mit der Vermittlung von Kompetenzen.

- Abl?sung der Orientierung an Semesterwochenstunden (SWS) durch den studentischen workload, der sich aus Pr?senzstunden und Selbststudium zusammensetzt.

- Neustrukturierung des Curriculum, das nicht mehr aus einem Lehrangebot isolierter Lehrveranstaltungen (Vorlesungen, Seminare, Kurse, Praktika etc.) bestehen soll, sondern aus Modulen, die mit ECTS gewichtet werden und festlegen, welche Kompetenzen wie vermittelt und gepr?ft werden sollen.

- Realisierung der Vermittlung fachbezogener Lehrgegenst?nde durch die multidisziplin?re Kompetenzvermittlung in Modulen.

In diesem Zusammenhang ergeben sich viele ?berschneidungen mit Reformans?tzen, die derzeit an Medizinischen Fakult?ten in Deutschland im Rahmen der Umsetzung der ?AppO erprobt und eingef?hrt werden. Dabei ist allen klar, dass es sich um einen langen Prozess handelt, in dem Erfahrungen gesammelt und zur Prozessoptimierung genutzt werden m?ssen.

F?r die Lehrstuhlinhaber und die medizinischen wissenschaftlichen Fachgesellschaften k?nnen sich daraus weitreichende Konsequenzen ergeben. In der Forschung hat sich schon seit einiger Zeit die Praxis interdisziplin?rer Kooperation etabliert, sei es in wissenschaftlichen Studien oder in der Form von Zentrumsgr?ndungen. So wurde z.B. an der Medizinischen Fakult?t der Universit?t K?ln ein Zentrum f?r Versorgungsforschung eingerichtet, in dem verschiedene Fachvertreter zusammenarbeiten. Entsprechende Kooperationen werden durch die ?rztliche Approbationsordnung in der Lehre vorgegeben; sowohl in der Verschr?nkung von vorklinischer Theorie und klinischer Praxis sowie in den 12 Querschnittsbereichen. In diesem Kontext bietet sich die Entwicklung von Modulen an, die Bologna-Kriterien entsprechen. Damit wird die Darstellung der F?cher an Bedeutung verlieren. In der Lehre sind diejenigen gefragt, die willens und f?hig sind, angehenden ?rzten praxisrelevante Kompetenzen zu vermitteln, bzw. sie zu motivieren und zu bef?higen diese im Selbststudium zu erwerben.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der Zukunft der ?ber vierzig F?cher in der Medizin. Schon jetzt ist es so, dass nicht an allen Medizinischen Fakult?ten alle F?cher mit einer Professur vertreten sind. Viele F?cher werden von anderen Lehrst?hlen mit vertreten. Als Folge permanenter Mittelk?rzungen sehen sich Medizinische Fakult?ten gezwungen, Institute, Abteilungen und Kliniken zusammenzulegen. Die Ausschreibung von Professorenstellen wird zunehmend mit der Erwartung verbunden, die Lehre an mehreren Medizinischen Fakult?ten zu gew?hrleisten. Wenn dieser Trend sich fortsetzt, ist zu erwarten, dass die Bedeutung der F?cher und damit der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften stark abnehmen wird - mit weitreichenden Konsequenzen.

Am 14.06.2005 hat das Plenum der HRK eine Stellungnahme zur nachhaltigen Einbindung der Medizin in die Forschung und Lehre der Universit?ten beschlossen und unter dem Titel "Eingebundene Souver?nit?t - Zukunft der Medizin in der Universit?t" ver?ffentlicht [5]. Dabei wird festgestellt, dass es "f?r die Universit?t ... ein enges Zusammenwirken mit der Medizin wegen deren inhaltlicher Beziehungen zu anderen akademischen Disziplinen - vor allem zu den Natur-, den Ingenieur- sowie den Sozialwissenschaften - von eminenter Bedeutung" ist (S. 8). Zusammenfassend wird festgestellt: "Demzufolge muss ... auch die Medizin als Teil der Universit?t ihre Entwicklungsplanung in die der Gesamtuniversit?t stellen ... Innerhalb der Medizin geh?rt hierzu auch die durch steigenden Wettbewerb und Ressourcenverknappung erzwungene strategische Entscheidung ?ber die Struktur und Aufgabezuweisung der Einrichtungen von Medizinfakult?t bzw. Universit?tsklinikum ...: Soll/muss das volle F?cherspektrum f?r alle 3 Aufgaben (Lehre, Forschung, Krankenversorgung) vorgehalten werden? K?nnte es Abteilungen geben, die vorrangig nur das eine - etwa Krankenversorgung -, nicht aber auch das andere - Forschung und Lehre - betreiben? Soll das Universit?tsklinikum - z.B. in Ballungsr?umen - sich auf eine begrenzte Zahl von in der Region sonst nicht vertretenen klinischen Angeboten spezialisieren? Wie kann sichergestellt werden, dass die f?r Forschung und Lehre erforderlichen Strukturen auch in einem rechtlich selbst?ndigen Universit?tsklinikum erhalten und ad?quat ausgestattet werden? Solche ?berlegungen f?r die strukturelle Ausrichtung der Medizin k?nnen im Rahmen der Schwerpunktplanung nur mit R?cksicht auf den gr??eren F?cherzusammenhang der Universit?t entschieden werden; sie sind Gegenstand der strategischen Positionierung der ganzen Universit?t, f?r die es kein allgemein verbindliches Schema geben kann" (S. 19,20). Damit wird deutlich, dass die bisher selbstverst?ndliche F?chervielfalt an allem Medizinischen Fakult?ten zunehmend in Frage gestellt werden wird.

Eine M?glichkeit darauf zu reagieren w?re gegeben mit der gemeinsamen Erarbeitung eines Kerncurriculums (core curriculum), in dem festgelegt wird, welche Module unter Beteiligung welcher Fachvertreter grundlegend sind f?r eine qualitativ hochwertige Ausbildung von ?rzten und dementsprechend an allen Medizinischen Fakult?ten in Deutschland angeboten werden m?ssten. Das h?tte auch den Vorteil, dass die f?r die Organisation der Module verantwortlichen Professoren erprobte und erfolgreiche Konzepte ?bernehmen und diese ggf. durch eigene Schwerpunktsetzungen erg?nzen k?nnten. Dabei k?nnte die Orientierung an Medizinischen Leitlinien hilfreich sein, mit der Ausrichtung der Lehre an der Vermittlung von Kompetenzen zum Umgang mit medizinischen Leitlinien. Im Sinne der Profilbildung und Schwerpunktsetzung k?nnten die Medizinischen Fakult?ten dar?ber hinaus eigenst?ndige Module entwickeln, die sie von den Lehrangeboten anderer Hochschulen unterscheiden. Im Diploma Supplement w?rde dann deutlich gemacht werden, welche besonderen Kompetenzen die Studierenden insgesamt an ihrer Medizinischen Fakult?t erworben haben.

Die Erarbeitung von Modulen ist eine schwierige und langwierige Aufgabe, insbesondere wenn sie einen grundlegenden Paradigmawechsel notwendig macht, d.h. die Orientierung an den Studierenden, ihrem workload und den zu vermittelnden Kompetenzen. Die traditionelle Rolle des Universit?tsprofessors, der Studierende an seinem Wissen teilhaben l?sst, wird damit ersetzt durch die Rolle des Hochschullehrers, der Studierende dabei unterst?tzt, selbst?ndig Kenntnisse und F?higkeiten zu erarbeiten.

Der Pr?sident der Gesellschaft f?r Medizinische Ausbildung, Prof. E. Hahn, hat auf der Veranstaltung der HRK zu Recht darauf hingewiesen, dass es nicht darum gehen kann morgen den Bologna-Prozess im Medizinstudium umzusetzen. Das ist schon allein wegen der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen unm?glich. Es kommt vielmehr darauf an, sich auf zuk?nftige Entwicklungen einzustellen, um diese rechtzeitig in angemessener Weise zu ber?cksichtigen.

In diesem Sinne plant die Hochschulrektorenkonferenz im n?chsten Jahr eine Folgeveranstaltung, auf der insbesondere Erfahrungen aus Deutschland mit der Umsetzung von Elementen des Bologna-Prozesses vorgestellt und diskutiert werden sollen.

Als richtungsweisend kann die Aussage von Prof. H. Kaiser von der Universit?t Basel angesehen werden: "There is a benefit of Bologna if we go in the right direction".

Internet-Adressen

Internet-Adressen unter denen weitergehende Informationen abrufbar sind:

1. http://www.emanet.org

2. http://Kontakt@IMAnet.org als Internetadresse der Bundesvereinigung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V., BVMD

3. http://www.wfme.org Internetadresse der World Federation of Medical Education

4. http://www.mmc.nhs.uk/pages/home

5. http://www.gmc-uk.org

6. http://www.hsv.se

7. http://www.programmkontoret.se

8. http://www.bologna-bergen2005.no.


Literatur

[1] Arbeitsgemeinschaft Hochschulmedizin. Bachelor f?r Arztberuf nicht berufsqualifizierend. Berlin: Hochschulverband; 2005. Zug?nglich unter: http://www.hochschulverband.de/cms/fileadmin/pdf/resolutionen/Resolution%20der%20AG%20Hochschulmedizin.pdf.
[2] Bader C. "Bologna" in der Medizin. Von der Deklaration zur Revolution? Basel: Schweizer Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW). 2005;2:1-4. Zug?nglich unter: http://ww.samw.ch.
[3] Bundes?rztekammer. Was ist die Richtlinie 93/16 EWG des Rates? Berlin: Bundes?rztekammer; 2004. Zug?nglich unter: http://www.bundesaerztekammer.de/30/Auslandsdienst/20FAQ/FAQ_A/A05.html.
[4] G?pel E. Aktualisierung eines Memorandums zur Ausbildung in den Gesundheitsberufen f?r die HRK-Konferenz am 14./15.10.2005 in Bonn: Sozialer Wandel und Ver?nderungen gesundheitsbezogener Berufsbilder - Konsequenzen f?r die Ausbildung in den Gesundheitsberufen (Manuskript). 2005.
[5] Hochschulrektorenkonferenz. Eingebundene Souver?nit?t - Zukunft der Medizin in der Universit?t. Beitr?ge zur Hochschulpolitik 9. Bonn: Hochschulrektorenkoferenz (HRK); 2005. Zug?nglich unter: http://www.hrk.de.
[6] Hochschulrektorenkonferenz. Gezielte Fehlinformationen gef?hrden die bereits laufenden Bem?hungen im Bologna Prozess. HRK reagiert auf Darstellungen in der Presse zum Bachelor in Jura und Medizin (23.09.2005). Bonn: Hochschulrektorenkoferenz (HRK); 2005. Zug?nglich unter: http://www.hrk.de/95_2802.php
[7] Hochschulrektorenkonferenz. Statistische Daten zur Einf?hrung von Bachelor- und Masterstudieng?ngen. Statistiken zur Hochschulpolitik 1. Bonn: Hochschulrektorenkonferenz (HRK); 2005. Zug?nglich unter: http://www.hrk.de.
[8] Rad? J, Leffers J. Bachelor-Alarm. Hinein in den Beruf, aber in welchen? Hamburg: Uni-Spiegel; 2005. Zug?nglich unter: http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,376801,00.html.
[9] Rat der Europ?ischen Gemeinschaften. Richtlinie 93/16/EWG des Rates vom 5. April 1993 zur Erleichterung der Freiz?gigkeit f?r ?rzte und zur gegenseitigen Anerkennung ihrer Diplome, Pr?fungszeugnisse und sonstigen Bef?higungsnachweise. Amtsblatt. 1993;L 165:0001-0024. Zug?nglich unter: http://europa.eu.int/smartapi/cgi/sga_doc?smartapi!celexapi!prod!CELEXnumdoc&lg=DE&numdoc=31993L0016&model=guichett.
[10] von Troschke J. Die Kunst, ein guter Arzt zu werden. Bern: H. Huber-Verlag; 2004 (2. Auflage).
[11] World Federation for Medical Education. Statement on the Bologna Process and Medical Education (February 2005). Copenhagen: World Federation for Medical Education; 2005. Zug?nglich unter: http://www.bologna-bergen2005.no/Docs/03-Pos_pap-05/050221-WFME-AMEE.pdf.