Hans Walter Striebel: Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin
Matthias Angstwurm 11 Ludwig-Maximilians-Universität München, Klinikum der Universität, Medizinische Klinik Innenstadt, München, Deutschland
Bibliographische Angaben
Hans Walter Striebel
Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin
Schattauer Verlag Stuttgart, New York
Seitenzahl: 590
ISBN 978-3-7945-2635-2
Erscheinungsjahr 2009
Rezension
Allgemeines
Herr Prof. Dr. med. Hans Walter Striebel ist Chefarzt des Institutes für Anästhesiologie, Intensiv- und Notfallmedizin der Städtischen Kliniken Frankfurt am Main-Höchst.
Das als Paperback erschienene Buch liegt in seiner 7. Auflage vor und richtet sich gleichermaßen an Pflegepersonal, Studenten sowie Berufsanfänger. Es soll als „Nachschlagewerk für in der Anästhesie und Intensivmedizin arbeitende Studenten, Absolventen des Praktischen Jahres und junge Anästhesisten dienen.“ Darüber hinaus soll es für Dozenten als Leitfaden für den Studentenunterricht oder den Unterricht in der Fachpflege dienen.
Die Kapitelüberschriften lauten
- Anästhesie – allgemeiner Teil (154 Seiten)
- Lokal- und Regionalanästhesie (30 Seiten)
- Spezielle Narkosevorbereitungen (34 Seiten)
- Typische Narkoseprobleme (24 Seiten)
- Anästhesie – spezieller Teil (87 Seiten)
- Aufwachraum (18 Seiten)
- Intensivmedizin (146 Seiten)
- Notfallmedizin (68 Seiten)
Durch den Schwerpunkt auf die Praxis werden pathophysiologische Zusammenhänge nur gestreift.
Didaktisches Konzept
Typische Photographien und klare Skizzen vermitteln den praktischen Nutzen. Insbesondere in den anästhesiologischen Abschnitten werden einzelne Handgriffe bis ins Detail erklärt. Checklisten erleichtern die Funktionsprüfungen eines Narkosegerätes. Ein Unterkapitel zu einzelnen Methoden schließt oft mit den dazu erforderlichen Medikamenten ab. Positiv ist weiterhin anzumerken, dass spezifische Gefahren für das Anästhesiepersonal aufgeführt sind oder auch Hygienemaßnahmen erwähnt werden.
Allerdings werden keinerlei weiterführende Literatur oder Verweise auf aktuelle Leitlinien angegeben. Ebenso fehlen Hilfestellungen für mündliche, praktische oder schriftliche Prüfungen als Erfolgskontrollen, zumal das Buch auch als Leitfaden für den Unterricht gedacht war.
Weiterhin ist nicht nachvollziehbar, warum einzelne Handskizzen mit Firmennamen versehen wurden (Abbildung 1-6) und dieser Firmenname regelmäßig in den Abbildungen oder ihren Beschreibungen auftaucht.
Die einzelnen Abschnitte zu den verwendeten Medikamente sind nicht komplett kongruent aufgebaut, teilweise sind überflüssige Abbildungen einzelner Medikamente vorhanden, Nebenwirkungen sind nicht immer aufgeführt, die Dosierung wird einmal korrekt in mg angegeben, einmal mit der Angabe „¼ Ampulle“ (z.B. S. 326: Medikamente zur Blutdrucksenkung).
Inhaltliche Beurteilung
Die Stärke des Buches ist das praktische Vorgehen in der Anästhesie, die mit etwa 60% der Seiten behandelt wird. Insbesondere der anästhesiologische praktische Anteil der Darstellung steht damit deutlich im Vordergrund, während die chirurgische oder internistische Intensiv- und Notfallmedizin im Vergleich dazu relativ zu kurz kommen oder teilweise nicht entsprechend den Leitlinien beschrieben werden.
Beispiel Pankreatitis-Therapie:
Hier wird ausdrücklich empfohlen, dass eine enterale Ernährung unbedingt vermieden werden muss und eine gastrale Ableitung vorgenommen werden muss. Dagegen stehen die Leitlinien z.B. der AWMF: „Bei Verdacht einer akuten Pankreatitis sollte primär eine enterale transduodenale Ernährung begonnen werden.“
Beispiel Katecholamine:
S.456 dritter Absatz. Zum einen wird Dobutamin eine positive Inotropie und ein verminderter Widerstand zugeschrieben, im nächsten Absatz dann haben Katecholamine den Nachteil: „Sie erhöhen den peripheren Widerstand.“ In Tabelle 5-6 ist die Wirkung der Katecholamine tabellarisch zusammengefasst. Hier sollte jedoch der Begriff niedrig oder hoch dosierte Dosierung von Dopamin nicht mehr verwendet werden, da durch viele Studien die „Nierenschwelle“ von Dopamin klar widerlegt worden ist, dieser Begriff jedoch immer noch verwendet wird.
Redundanzen
Einige Erkrankungen werden mehrfach im Buch besprochen, z.B. ist dies im Bereich der Intensivmedizin und in der Notfallmedizin der Fall. Es entstehen dadurch Redundanzen, die aber auch verwirrend sein können. Beispiel: Die Therapie des akuten Myokardinfarktes wird auf S. 459 aufgeführt, gleichzeitig ist aber ein Verweis auf die Therapie auf S. 490 vorhanden. Entsprechend wird auch das Prinzip der 12-Kanal-EKG-Ableitung mehrfach erklärt einschließlich sehr ähnlicher Tabellen z.B. S. 458 und S. 494.
Ein Kernthema der Fachdisziplinen ist die kardiopulmonale Reanimation. Dieses Kapital wurde im Vergleich zu den früheren Auflagen neu bearbeitet und bezieht sich auf die Empfehlungen des European Resuscitation Council (ERC) von 2005. Ausgehend vom Algorithmus des ERC werden die einzelnen Schritte erklärt. Viele Bilder unterstützen das Verständnis, z.B. über die Lagerung eines stabilen Patienten.
Die eigentlichen Basismaßnahmen der Reanimation (S. 531 folgende) sind gegliedert in die Überschriften Herzdruckmassage und Atemspende. Allerdings findet sich die Angabe über die Frequenz der Thoraxkompression erst zwei Seiten später im Nebensatz des Kapitels über die Atemspende. Ebenfalls ist unter dem Kapitel der Atemspende der Einsatz des halbautomatischen Defibrillators mit Bild erwähnt, während das Kapitel der Defibrillation weitere vier Seiten später unter den erweiterten Maßnahmen beschrieben werden.
Zusammenfassung
Trotz aller Kritik entsteht durch sehr viele anschauliche Skizzen oder Abbildungen ein sehr praxisbezogenes Konzept für einzelne Prozeduren. Die sprachliche Formulierung ist sehr einprägsam, gut lesbar und klar formuliert. Checklisten zur Durchführung erleichtern die Tätigkeit für das Pflegepersonal im Bereich der Anästhesie. Für die Ausbildung in der Fachweiterbildung Anästhesie und Intensivmedizin sollten jedoch die Inhalte der Chirurgie und der Inneren Medizin vertieft und überarbeitet werden.
Aufgrund des praktischen Ansatzes fehlen wissenschaftliche Erkenntnisse oder pathophysiologische Grundlagen. Für Studenten ist mit Hilfe des Buches daher allenfalls ein erstes Schnuppern im Fach Anästhesie möglich, weiterführende Studien sind jedoch erforderlich. Insbesondere durch die fehlenden Grundlagen und Studienergebnissen ist es nur bedingt zur Examensvorbereitung geeignet. Ein Nachschlagewerk kann das Buch für junge Assistenten daher nicht ersetzen.
Der aus didaktischer Sicht sinnvolle Ansatz, komplexe Bereiche der Medizin wie Anästhesie, Intensivmedizin und Notfallmedizin mit einfachen Regeln zu beschreiben, sollte daher konsequenter eingehalten werden, um Redundanzen und unbeabsichtigte Widersprüche zu vermeiden.