Library of Guidance for Health Scientists (LIGHTS): Eine neue Datenbank für methodische Leitlinien in der klinischen Forschung
Julian Hirt 1,2Hannah Ewald 3
Matthias Briel 4,5
Stefan Schandelmaier 4
1 Departement Klinische Forschung, Universität Basel, Basel, Schweiz
2 Institut für Pflegewissenschaft, Departement Gesundheit, OST – Ostschweizer Fachhochschule, St.Gallen, Schweiz
3 Universitätsbibliothek Medizin, Universität Basel, Basel, Schweiz
4 CLEAR Methods Center, Departement Klinische Forschung, Universität Basel, Basel, Schweiz
5 Department of Health Research Methods, Evidence, and Impact, McMaster University, Hamilton, Canada
Zusammenfassung
Methodische Probleme (z.B. Umgang mit fehlenden Daten, irrelevante Endpunkte, fehlerhafte Subgruppenanalysen) begrenzen häufig den wissenschaftlichen Wert von klinischen Studien. Zu den Versäumnissen trägt bei, dass Gesundheitsforschende relevante Methodenleitlinien nicht finden können. Um die Auffindbarkeit von Methodenleitlinien zu verbessern, haben wir die Library of Guidance for Health Scientists (LIGHTS, https://lights.science/) entwickelt. LIGHTS ist eine neue, frei zugängliche Datenbank zur effektiven Unterstützung von klinisch Forschenden, StatistikerInnen, Methodenberatungen, Ethikkommissionen, Peer-Reviews, Herausgebenden von Zeitschriften, Forschungsförderern und anderen, die nach optimalen Methoden in der klinischen Forschung streben.
Schlüsselwörter
Datenbank, Leitlinien, Methoden, methodische Leitlinien, Berichterstattungsqualität, Transparenz
Hintergrund und Ziele von LIGHTS
Forschende im Gesundheitsbereich, insbesondere AutorInnen von systematischen Übersichtsarbeiten, sehen sich häufig mit methodischen Schwächen in klinischen Studien konfrontiert. Deshalb fordern MethodikerInnen, GeldgeberInnen, Ethikkommissionen und HerausgeberInnen von Zeitschriften eine bessere Einhaltung von Methodenrichtlinien [1], [2]. Geeignete und vertrauenswürdige methodische Leitlinien zu finden ist allerdings schwierig. Suchen in MEDLINE oder Google sind äußerst ineffizient, da eine heterogene Terminologie, unzureichende Verschlagwortung in MEDLINE und fehlende Abstracts Forschenden und InformationsspezialistInnen eine effiziente und gezielte Suche nach methodischen Leitlinien erschweren [3].
Spezialisierte Datenbanken können den Zugang zu schwer auffindbaren Artikeln verbessern. Erfolgreiche Beispiele sind die Datenbank des Enhancing the QUAlity and Transparency Of health Research (EQUATOR) Netzwerks für Reporting Guidelines (https://www.equator-network.org/) oder die Datenbank der Core Outcome Measures in Effectiveness Trials (COMET) Initiative für wichtige Outcomes (https://www.orrca.org.uk/Home/Index). Solche Datenbanken können eine komplexe Suche in mehreren Datenbanken überflüssig machen. Eine effiziente Suche mit hoher Sensitivität und Präzision hilft Forschenden wertvolle Ressourcen zu sparen.
Eine Datenbank für methodische Leitlinien war bisher nicht verfügbar. Die neue Library of Guidance for Health Researchers (LIGHTS) soll diese Lücke schließen. Ziele von LIGHTS sind Forschende und InformationspezialistInnen bei der Suche nach optimalen Forschungsmethoden effektiv zu unterstützen, die Auffindbarkeit von methodischen Leitlinien wesentlich zu vereinfachen und schrittweise ein umfassendes Inventar von methodischen Leitlinien zu entwickeln.
LIGHTS-Website und Übersicht zu den wichtigsten Suchfunktionen
Über https://lights.science/ können Interessierte kostenlos auf LIGHTS zugreifen. Mit Stand vom 7. November 2022 enthält LIGHTS 1.291 methodische Leitlinien.
Die Suchoberfläche bietet fünf spezielle Suchfacetten mit deren Hilfe AnwenderInnen ihre Suche nach Leitlinien verfeinern können. Die Suchfacetten sind
- Studientyp (bspw. Leitlinien für randomisierte Studien oder Beobachtungsstudien),
- methodisches Thema (bspw. Umgang mit fehlenden Daten, Literatursuche, statistische Analyse),
- Leitlinientyp (bspw. Reporting Guidelines, statistische Leitlinien, Software),
- Entwicklungsprozess der Leitlinien (bspw. Konsensus-basiert, durch AnwenderInnen getestet),
- medizinischer Schwerpunkt (bspw. Onkologie – auch die Suche nach Leitlinien ohne medizinischen Schwerpunkt ist möglich).
Ein aufwändiges, neues Vokabular und Verschlagwortungssystem bietet die Grundlage für diese Suchfacetten. Darüber hinaus optimiert das Verschlagwortungssystem Sucheingaben durch automatische Synonymzuordnung. Bei Eingabe von beispielsweise „lost to follow-up“ zeigt LIGHTS auch alle Artikel an, die mit „missing data“ verschlagwortet sind.
Die Indexierung erfolgt manuell. Ein internationales Team bestehend aus MethodikexpertInnen, StatistikerInnen und InformationsspezialistInnen indiziert die Leitlinien nach dem Vier-Augen-Prinzip.
Derzeit schließen wir Leitlinien ein, die die folgenden Kriterien erfüllen:
- Peer-reviewed Zeitschriftenartikel.
- Die Autoren des Artikels beschreiben explizit, dass der Artikel als Leitlinie für Forschende dienen soll.
- Die Leitlinie bezieht sich auf klinische Forschung (Forschung an Menschen, keine Grundlagenforschung).
Die Details zu den grundlegenden methodischen Schritten von LIGHTS sind an anderer Stelle berichtet [4].
Wir führen regelmäßige Update-Suchen durch. Da herkömmliche Suchstrategien für methodische Leitlinien herausfordernd sind [3], wenden wir die folgenden alternativen Methoden an: Wir durchsuchen
- Websites von Journals, die regelmäßig Leitlinien publizieren (zum Beispiel BMJ, Statistics in Medicine, Journal of Clinical Epidemiology; eine ausführliche Liste ist auf https://lights.science/ zu finden),
- methodische Datenbanken (zum Beispiel EQUATOR library),
- Referenzenlisten von methodischen Reviews (zum Beispiel statistical guidance on regression analysis [5]).
Darüber hinaus nehmen wir Vorschläge von Forschenden innerhalb und außerhalb unseres Netzwerkes entgegen.
Fazit und Ausblick
LIGHTS ist eine neue, frei zugängliche Datenbank konzipiert als „living database“. Wir werden LIGHTS je nach verfügbaren Mitteln und Vorschlägen der Nutzenden verbessern. Zu den derzeitigen Plänen gehören die Testung von maschinellem Lernen für unsere Suche, die Zugänglichmachung unseres methodischen Vokabulars und die Aufnahme von methodischen Leitlinien von regulatorischen Behörden wie der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde, FDA oder der Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA). Neuerungen und Weiterentwicklungen werden wir stets über https://lights.science/ kommunizieren.
Anmerkungen
ORCIDs der Autorinnen und Autoren
- Julian Hirt: https://orcid.org/0000-0001-6589-3936
- Hannah Ewald: https://orcid.org/0000-0002-5081-1093
- Matthias Briel: https://orcid.org/0000-0002-2070-5230
- Stefan Schandelmaier: https://orcid.org/0000-0002-8429-0337
Interessenkonflikte
Die Autorinnen und Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.
Danksagung
Die Autorinnen und Autoren danken den folgenden Personen für ihre Unterstützung bei der Entwicklung und dem Aufbau von LIGHTS: Christof Manuel Schönenberger, Daeria O. Lawson, Davide Papola, Ramon Rohner, Katja Suter, Shanshan Lin, Federico Germini, Linan Zeng, Ali Shahabinezhad, Saifur Rahman Chowdhury, Ya Gao, Arunima Bhattacharjee, João Pedro Lima, Ana Marusic, Ivan Buljan, Arnav Agarwal, Lars G. Hemkens, Gordon Guyatt.
Literatur
[1] Lohner S, Gryaznov D, von Niederhäusern B, Speich B, Kasenda B, Ojeda-Ruiz E, Schandelmaier S, Mertz D, Odutayo A, Tomonaga Y, Amstutz A, Pauli-Magnus C, Gloy V, Bischoff K, Wollmann K, Rehner L, Meerpohl JJ, Nordmann A, Klatte K, Ghosh N, Heravi AT, Wong J, Chow N, Hong PJ, McCord K, Sricharoenchai S, Busse JW, Agarwal A, Saccilotto R, Schwenkglenks M, Moffa G, Hemkens LG, Hopewell S, von Elm E, Blümle A, Briel M. Reporting quality of trial protocols improved for non-regulated interventions but not regulated interventions: A repeated cross-sectional study. J Clin Epidemiol. 2021 Nov;139:340-9. DOI: 10.1016/j.jclinepi.2021.05.011[2] Arnup SJ, Forbes AB, Kahan BC, Morgan KE, McKenzie JE. The quality of reporting in cluster randomised crossover trials: proposal for reporting items and an assessment of reporting quality. Trials. 2016 Dec 6;17(1):575. DOI: 10.1186/s13063-016-1685-6
[3] Hirt J, Ewald H, Lawson DO, Hemkens LG, Briel M, Schandelmaier S. A systematic survey of methods guidance suggests areas for improvement regarding access, development, and transparency. J Clin Epidemiol. 2022 Sep;149:217-26. DOI: 10.1016/j.jclinepi.2022.05.005
[4] Hirt J, Schoenenberger CM, Ewald H, Lawson DO, Papola D, Rohner R, Suter K, Lin S, Germini F, Zeng L, Shahabinezhad A, Chowdhury SR, Gao Y, Bhattacharjee A, Lobo Lima JP, Marusic A, Buljan I, Agarwal A, Guyatt G, Briel M, Schandelmaier S. Introducing the Library of Guidance for Health Scientists (LIGHTS). 2022. DOI: 10.17605/OSF.IO/RTC4A
[5] Wallisch C, Bach P, Hafermann L, Klein N, Sauerbrei W, Steyerberg EW, Heinze G, Rauch G; topic group 2 of the STRATOS initiative. Review of guidance papers on regression modeling in statistical series of medical journals. PLoS One. 2022 Jan 24;17(1):e0262918. DOI: 10.1371/journal.pone.0262918