[Biochemistry/Molecular Biology for Physicians]
Christine Sch?fer 1Maria Siegert 2
Axel Schunk 1
Stefan Schneider 2
Ulrich Glowalla 2
Jan Koolman 1
1 Philipps-Universit?t Marburg, Physiologisch-Chemisches Institut, Biochemische Endokrinologie, Marburg, Deutschland
2 Justus-Liebig-Universit?t Gie?en, Forschungsgruppe Instruktion und Interaktive Medien (IIM), Gie?en, Deutschland
Abstract
Students of human medicine at the Philipps University in Marburg are confronted with biochemistry already in their first term. They will be offered the classical teaching units, e.g. lectures and seminars, combined with the use of an internet based learning platform providing teaching courses, training examinations, and communication forums. The results of an online evaluating this teaching scenario revealed its high acceptance among the students and procured detailed hints for the further improvement of the teaching offer. Especially in small group seminars with compulsory attendance the share of self-determined learning should be increased in order to improve the effectiveness of the teaching. The didactically very well-designed courses offered by the learning platform were accepted and evaluated favourably by the students.
Together with the functions of the communication forums these online offers present a possibility to increase the teaching quality and to improve communication and organisation.
Keywords
Biochemistry, multimedia, curriculum, teaching methods, evaluation
Einleitung
Wer als Bewerber an der Philipps Universit?t Marburg zum ersten Semester Humanmedizin zugelassen wird, begegnet im Fach Biochemie/Molekularbiologie (im Folgenden nur noch als Biochemie bezeichnet) im Vergleich zu anderen Universit?ten einigen Besonderheiten. Abweichend von den ?blichen Stundenpl?nen wird Biochemie in Marburg bereits im ersten Semester gelehrt. Dabei wird eine Kombination von Vorlesung, Seminar und elektronischen Selbstlernkursen angeboten. Dieses Konzept einer fr?hen und multimedial unterst?tzten Lehre in Biochemie f?r Erstsemester der Humanmedizin wird im Folgenden detailliert beschrieben. Die Gr?nde f?r diese Form der Lehre werden aufgef?hrt und die Bewertung der Biochemielehre durch die Studierenden vorgestellt und diskutiert.
In der ?rztlichen Approbationsordnung [1] wird die Vermittlung und Pr?fung von medizinischem Grundlagenwissen ?ber die K?rperfunktionen sowie die Ausrichtung der naturwissenschaftlichen F?cher auf medizinisch relevante Inhalte bzw. die Verkn?pfung von naturwissenschaftlichen Grundlagen mit klinischen Anteilen gefordert. Dazu kommen die Herausforderungen, die sich durch hohe Studierendenzahlen in einem Studienfach mit einem qualitativ und quantitativ sehr anspruchsvollen Curriculum ergeben. Im Ersten Abschnitt der ?rztlichen Pr?fung nach der Approbationsordnung f?r ?rzte (?AppO) haben die Fragen zur Biochemie einen Anteil von 21%, genau wie die zur Physiologie. ?bertroffen wird der Fragenanteil dieser beiden F?cher nur noch von der Anatomie/Histologie mit 32%. Einen ?berblick der im Fach Biochemie zu behandelnden Gebiete liefert der Gegenstandskatalog des IMPP [2]. Um den hohen Lernanforderungen der sogenannten Vorklinik gerecht zu werden, m?ssen sich die Studierenden in der Regel sehr rasch ein breites Grundlagenwissen aneignen. Angesichts von rund 340 Studienanf?ngern in Humanmedizin in Marburg ist dies nicht nur didaktisch, sondern auch organisatorisch eine besondere Herausforderung f?r die Lehrenden.
1. Beschreibung von Vorlesung und Seminar
Die Vorlesung in Biochemie (zwei Semesterwochenstunden) wird gemeinsam von zwei Hochschulprofessoren der Biochemie gehalten, die gleichzeitig anwesend sind. Die Vorlesung wird mit einem dreimalig durchgef?hrten zweist?ndigen Seminar f?r Gruppen von jeweils 24 Studierenden kombiniert. Ziel des Seminars ist eine Konkretisierung der in den Vorlesungen vermittelten theoretischen Grundlagen. Es werden die Schwerpunkte Biomolek?le, Enzyme und Stoffwechsel behandelt und mit Arbeitsbl?ttern, Molek?lbauk?sten, Computerprogrammen und Referaten bearbeitet. Jeder Studierende ist zur Teilnahme an den drei Seminarterminen und einer Abschlussklausur verpflichtet.
Das wichtigste Ziel ist die Vermittlung von naturwissenschaftlichen Grundlagen und die Darlegung der Zusammenh?nge mit der modernen Medizin. Deshalb werden im ersten Semester die Grundprinzipien der Biochemie in der Kombination von Vorlesung, Seminar und elektronischen Lernkursen unterrichtet, um den Studierenden eine erste ?bersicht der Fachinhalte zu bieten. Auf dieses grundlegende Wissen kann dann in den folgenden Semestern und von anderen F?chern aufgebaut werden.
2. Multimediale Lehr- und Lernmedien
Seit dem Wintersemester 2004/05 steht den Studierenden f?r die ersten beiden Seminartermine jeweils ein internetbasierter Lernkurs
W?hrend in Vorlesungen vom Studierenden das wenig lernwirksame passive Zuh?ren und eventuell Mitschreiben erwartet werden, erfordern Seminare in Kleingruppen, aber auch das Durcharbeiten interaktiv gestalteter elektronischer Lernkurse, eine aktive Mitarbeit. Wissen, welches sich die Studierenden aktiv erarbeiten und aneignen, ist besser im Ged?chtnis verankert und somit auch schneller und l?nger verf?gbar [3], [4]. Ein weiterer positiver Effekt der eingesetzten Lernkurse ist, dass den Studierenden eine klare Themen- und Lernziel?bersicht geboten wird. Dazu kommt, dass komplexe bzw. in einem zeitlichen Ablauf erfolgende Vorg?nge und Sachverhalte in Animationen dargestellt werden k?nnen. Interaktivit?t wird in den Lernkursen vor allem durch einen hohen Anteil von ?bungsaufgaben erreicht. Diese ?bungsaufgaben dienen der Stoffvermittlung, der Stoffwiederholung und dem Ein?ben von Inhalten [5], [6]. Nach M?glichkeit wird in diesen Grundlagenlernkursen schon auf thematische ?berschneidungen mit Staatsexamensfragen hingewiesen. Abbildung 1 [Abb. 1] zeigt eine typische ?bungsaufgabe aus dem Lernkurs Grundlagen der Biochemie 1 - Biomolek?hle. Bei der Gestaltung der Lernkurse f?r Biochemie werden f?r die Grafiken Gestaltungselemente eines Lehrbuchs [7] ?bernommen und gegebenenfalls modifiziert. F?r die Pr?sentationen in der Vorlesung und dem Seminar wird auf das gleiche Bildmaterial zur?ckgegriffen. So werden in Vorlesung, Seminar, Lernkursen und Lehrbuch einheitliche Symbole verwendet. Zur Klausurvorbereitung wird eine online ?bungsklausur zur Verf?gung gestellt, die genauso wie die ?bungsaufgaben in den Lernkursen gestaltet ist.
Die Biochemie-Lernkurse werden auf einer Internetplattform, dem Learning Management System (LMS)
Evaluation
Die zum Abschluss des Wintersemesters 2004/05 durchgef?hrte Studierendenbefragung zielte auf eine Beurteilung der Nutzung und Akzeptanz dieses kombinierten Lehrangebots ab und erfolgte ?ber einen Online-Fragebogen. Zus?tzlich analysierten wir das Nutzerverhalten in der Lernplattform. Der Evaluationsfragebogen (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]) gliedert sich in f?nf Teile mit Fragen zur Beurteilung der Pr?senzveranstaltungen (Vorlesung und Seminar) sowie zur Nutzung und Akzeptanz der zwei Lernkurse und der ?bungsklausur. Neben den vorgegebenen Antwortoptionen zu den verschiedenen Themenbereichen hatten die Studierenden die M?glichkeit zu Freitextkommentaren.
Ergebnisse
Insgesamt 311 Studienanf?nger kamen der Aufforderung zur Teilnahme an der Online-Evaluation der Lehrveranstaltungen nach. Im Median brauchten die Studierenden 6 Minuten zur vollst?ndigen Bearbeitung des Fragebogens.
1. Akzeptanz der Lehrveranstaltungen
Als Durchschnitt gaben die Studierenden an, etwa 80% der Vorlesungstermine besucht zu haben. 71% der Studierenden halten die Vorlesung f?r "sehr gut", die ?brigen f?r "eher gut". Da f?r die Vorlesung keine Anwesenheitspflicht besteht, spiegelt diese au?erordentlich hohe Teilnahme bei einer gleichzeitig sehr positiven Beurteilung eine hohe Qualit?t wieder.
Das anwesenheits- und scheinpflichtige Seminar wird dagegen kritischer beurteilt. 32% der befragten Studierenden fanden das Seminar "weniger gut" und 4% "gar nicht gut", dagegen 17% "sehr gut" und 47% "eher gut". Abbildung 3 [Abb. 3] fasst die Ergebnisse der Befragung zum Seminar zusammen. Die Studierenden ?u?erten in 113 Kommentaren teilweise sehr differenzierte Kritik und machten Verbesserungsvorschl?ge. Vielfach wurde gew?nscht, mehr Seminartermine als nur die drei Sitzungen durchzuf?hren, um eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Lehrstoff zu erm?glichen. Besonders gelobt wurde der Aufbau des dritten Seminartermins, zu dem die Studierenden sich eigenst?ndig f?r Kurzreferate zum Intermedi?rstoffwechsel vorbereiten sollten. Dies empfanden die Studierenden als sehr effektiv f?r ihren Lernprozess.
2. Akzeptanz der Online-Lernkurse
Von den 356 Studierenden, denen auf der Lernplattform die beiden Online-Lernkurse und die elektronische ?bungsklausur zur Verf?gung standen, haben 80% den Grundlagenkurs Biochemie 1 - Biomolek?le, 72% den Grundlagenkurs 2 - Enzyme und 72% die ?bungsklausur im Verlauf des Semesters zumindest einmal aufgerufen. Im Mittel wurde der erste Grundlagenkurs 120 Minuten lang bearbeitet, der zweite Grundlagenkurs 154 Minuten und die ?bungsklausur 15 Minuten.
Die Nutzungsdauer und -h?ufigkeiten, die sich aus der Analyse der Nutzerstatistik (Usertracking ?ber die Lernplattform) ergeben, stimmen weitgehend mit den Angaben der Studierenden in der Befragung ?berein. Deswegen kann davon ausgegangen werden, dass die Studierenden zuverl?ssige Angaben ?ber ihr Lernverhalten lieferten und die Evaluationsergebnisse repr?sentativ sind.
Generell wurden die Lernkurse positiv beurteilt, wie Abbildung 4 [Abb. 4] entnommen werden kann. Die weniger gut beurteilte ?bungsklausur wurde in vielen der dazu erfassten 117 offenen Kommentaren als zu leicht im Vergleich zur dann tats?chlich geschriebenen Klausur empfunden. Die Ergebnisse einer detaillierteren Beurteilung der beiden Grundlagenkurse sind in Tabelle 1 [Tab. 1] dargestellt.
In den offenen Kommentaren zu den Lernkursen w?nschten sich viele Studierende mehr Lernkurse dieses Zuschnitts. Besonders die in die Kurse eingestreuten ?bungsaufgaben und die Animationen wurden als hilfreich empfunden.
Fazit
Evaluationen gelten zu Recht als ein ad?quates Mittel zur Qualit?tsverbesserung in der Lehre. Eine Voraussetzung daf?r ist die z?gige Auswertung und konsequente Nutzung der Ergebnisse. Das hier beschriebene Lehrszenario des Biochemieunterrichts f?r Erstsemester wurde mittels einer internetbasierten Befragung der Studierenden nach Abschluss des ersten Semesters evaluiert. Eine solche Online-Evaluation ist einfach und rasch durchzuf?hren und schon aufgrund der Zeitersparnis bei der Auswertung - die Daten liegen von vornherein in digitaler Form vor - kosteng?nstig. Im vorliegenden Fall hat sich die Zusammenarbeit von Lehrenden der Medizin und evaluationserfahrenen Psychologen als besonders vorteilhaft erwiesen.
Die Evaluation erbrachte eine Vielzahl von Hinweisen zur Verbesserung der Lehre. Die von zwei Hochschulprofessoren gemeinsam gestaltete Vorlesung wurde so positiv beurteilt, dass sie in genau dieser Form weiter angeboten werden soll. Anders das Biochemie-Seminar: Die Kritik an der Durchf?hrung des Seminars er?ffnet eine ganze Reihe von Verbesserungsm?glichkeiten und eine Optimierung der Durchf?hrung. Besonders gut angenommen wurden die Kombination des Seminars mit den Online-Lernkursen sowie die M?glichkeit einer gezielten Veranstaltungsvor- und nachbereitung durch die Studierenden. Der Einsatz von internetbasierten Lernkursen, die in Zusammenarbeit mit Instruktionspsychologen entwickelt wurden, und deren enge Verkn?pfung mit den Angeboten der Pr?senzlehre, wurde von den Studierenden begr??t. Die Nutzung der zwei angebotenen Lernkurse und der ?bungsklausur war freiwillig. Trotzdem bearbeiteten 70% bis 80% der Studierenden die Kurse und das mit durchschnittlich 120 Minuten sehr intensiv. Der gezielte Einsatz von ?bungsaufgaben und Animationen steigert die Akzeptanz bei den Studierenden und verbessert vermutlich auch die Lernwirksamkeit. Als Konsequenz werden ein weiterer Lernkurs entwickelt und die M?glichkeiten der Unterrichtsvorbereitung f?r die Studierenden erweitert. Das so entstandene Lehrszenario - es kann auch als blended-learning Konzept bezeichnet werden - wird dann besonders erfolgreich sein, wenn es den beteiligten Dozenten gelingt, die Lehrinhalte gut aufeinander abzustimmen.
Das Forum der Lernplattform hat sich f?r die Studierenden und Lehrenden als ein hervorragendes Mittel zur Verbesserung der Kommunikation erwiesen. Ein hoher Anteil der Forumsnachrichten hatte organisatorische Fragen aus anderen F?chern als der Biochemie zum Inhalt. Auch dies zeigt die Bedeutung einer solchen Kommunikationsform, insbesondere angesichts der hohen Zahlen von Studienanf?ngern.
Anmerkung
Danksagung
Die Lernplattform, der Itemeditor und das Online-Befragungstool basieren auf Werkzeugen, die dem Projekt von der Lerndesign GmbH zur Verf?gung gestellt wurden. Wir danken f?r die freundliche Bereitstellung. Seit dem 1. Oktober 2005 wird die Open-Source Lernplattform ILIAS verwendet.
Literatur
[1] Schmidt U. ?AppO (?rztliche Approbationsordnung), ge?nderte Fassung vom 21. Juli 2004. Bonn: Bundesgesetzblatt; 2004. Zug?nglich unter: www.bmgs.bund.de/download/gesetze/gesundheitsberufe/aeappo.pdf.[2] IMPP (Institut f?r Medizinische und Pharmazeutische Pr?fungsfragen) Februar. IMPP-Gegenstandskatalog (IMPP-GK 1) f?r den schriftlichen Teil des Ersten Abschnitts der ?rztlichen Pr?fung (?ppO vom 27. Juni 2002). Teilkatalog "Chemie f?r Mediziner und Biochemie/Molekularbiologie". Mainz: Institut f?r medizinische und pharmazeutische Pr?fungsfragen; 2005. Zug?nglich unter: www.impp.de/index.php?id=11.
[3] Anderson JR. Learning and memory. An integrated approach. New York: John Wiley & Sons, Inc.; 1994.
[4] Glowalla U, Glowalla G. Instruktionspsychologie f?r Lehramtsstudierende [eLecture auf CD-Rom]. Gie?en: Lerndesign; 2005.
[5] Siegert M, Schlieck A, J?ger T, Gotthardt M, Glowalla U. Der Einfluss von ?bungsaufgaben auf das Lernen mit einer computer-basierten Lerneinheit - eine experimentelle Evaluationsstudie. In Puppe F, Albert J, Bernauer J, Fischer M, Klar R, Leven J. Rechnergest?tzte Lehr- und Lernsysteme in der Medizin, Universit?t W?rzburg, 3.-4. April 2003. Aachen: Shaker; 2003.
[6] Glowalla U, Kohnert A, Schneider S. Entwicklung wissensdiagnostischer Module f?r E-Learning Anwendungen. In Bode A, Desel J, Rathmayer S, Wessner M. DeLFI: Die 1. e-Learning Fachtagung Informatik, 16.-18.9.2003, Garching b. M?nchen., Lecture Notes in Informatics (LNI). Bonn: Gesellschaft f?r Informatik; 2003.
[7] Koolman J, R?hm KH. Taschenatlas der Biochemie. Mit 215 Farbtafeln von J?rgen Wirth. 3., vollst?ndig ?berarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart, New York: Georg Thieme Verlag; 2003.