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GMS Journal for Medical Education__Temp

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

2366-5017__Temp


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Kommentar/Hypothese
Humanmedizin

[Medical students with ethnic different background in Germany]

 Jean-Fran?ois Chenot 1
Anne Simmenroth-Nayda 1
Martin Scherer 1

1 Georg-August-Universit?t G?ttingen, Allgemeinmedizin, G?ttingen, Deutschland

Abstract

Lack of intercultural competence and sufficient language skills as well as discrimination might pose problems for medical students with ethnic different background, particular in examinations but also in many other aspects. Those problems are frequently mentioned by clinical educators. However, the issue has not been addressed by research in Germany unlike in other countries. The proportion of medical students with an ethnic different background is increasing. Research is needed to explore possible deficiencies and discrimination of students with different ethnic background.


Keywords

assessment, Germany, language skills, foreign medical students

Kommentar

Ausgangspunkt f?r ein Forschungsprojekt waren Schwierigkeiten einer ausl?ndischen Studierenden im ersten klinischen Semester in einer interdisziplin?ren objectiv structured clinical examination (OSCE) an der medizinischen Fakult?t in G?ttingen [1]. Diese Studierende konnte trotz einer standardisierten schriftlichen Anweisung die Aufgabenstellung nicht verstehen und war zudem wegen Sprachproblemen nicht in der Lage, eine kardiovaskul?re Risikoanamnese bei einer Simulationspatientin (SP) zu erheben.

Schon w?hrend des Unterrichts manifestierten sich bei Anamnese-?bungen gelegentlich sprachliche Schwierigkeiten. So war es bei einigen ausl?ndischen Studierenden entweder ?berhaupt nicht oder nur erschwert m?glich, ein strukturiertes Feedback z.B. nach einer Anamnese-?bung mit einem SP zu geben. Zwar konnten nonverbale Signale und Empathie-F?higkeit bei den Studierenden wahrgenommen werden, Gespr?chstechniken und differenziertere Ausdruckformen wurden von diesen Studierenden jedoch nur unzureichend beherrscht. Unser Fazit lautete somit: kommunikative F?higkeiten k?nnen nicht losgel?st von sprachlicher Kompetenz bewertet werden. Daher wollten wir wissen, ob ausl?ndische Studierende bei einer Pr?fung, die hohe kommunikative Anforderungen stellt, benachteiligt werden. Ziel der Pr?fung ist nicht die Pr?fung von Sprachkompetenz sondern z.B. das Erheben einer Anamnese.

Wir f?hrten eine Internetliteratursuche in Pubmed und bei den deutschen Verlagen Thieme, Springer, Urban & Fischer (um nicht in Medline gelistete Zeitschriften zu erfassen) und konnten hierbei keine relevante Literatur zum Vergleich ausl?ndischer mit deutschen Medizinstudierenden in Deutschland finden.

Bei der Vorbereitung des Projekts merkten wir rasch, dass das Thema weitaus komplexer ist als urspr?nglich vermutet. Zun?chst hatten wir geplant, Gruppenvergleiche zwischen ausl?ndischen und deutschen Studierenden durchzuf?hren. Bald wurde aber klar, dass viele ausl?ndische Studierende „Bildungsinl?nder1“ sind und Deutsch als ihre „Muttersprache“ sprechen. So entschieden wir uns, vor der Pr?fung Studierende selbst einsch?tzen zu lassen, ob sie Deutsch als „Muttersprachler“ beherrschten. Zus?tzlich untersuchten wir, ob Ausl?nder unabh?ngig von ihrer Sprachkompetenz im Durchschnitt anders bewert werden [2]. Bei der Bewertung der Leistung durch ?rzte konnten wir keinen Unterschied zwischen Muttersprachlern, Nicht-Muttersprachlern, Immigranten oder Studierenden deutscher und ausl?ndischer Herkunft feststellen. Simulationspatienten, die sich bei ihrer Bewertung prim?r auf die kommunikative Kompetenz st?tzen, sch?tzten Nichtmuttersprachler deutlich schlechter ein. Wir entschieden uns daher, diese Bewertung nicht in die Endnote einfliesen zu lassen.

Die Ergebnisse unseres kleinen Projekts stellten wir auf der GMA-Tagung 2005 in M?nster vor. Die Diskussion dar?ber zeigte, dass wir mit diesem Thema ein „hei?es Eisen“ angefasst hatten. Es wurde ?ber massive Probleme mit ausl?ndischen Studierenden geklagt: im Vordergrund standen schlechte Deutschkenntnisse und mangelnde „interkulturelle Kompetenz“. Mit dem umstrittenen Begriff „interkultureller Kompetenz“ ist nicht-sprachgebundene Kompetenz im Umgang mit Menschen aus anderen Kulturkreisen gemeint [3].

Welche Mechanismen liegen dieser Problematik zu Grunde? Die meisten Universit?ten verlangen eine deutsche Sprachpr?fung f?r den Hochschulzugang (DHS) [4]. Studenten aus der Europ?ischen Union und sog. Bildungsinl?ndern (Bewerber mit deutschem Abitur) m?ssen sich ?ber die Zentralstelle f?r die Vergabe von Studienpl?tzen (ZVS) bewerben, die ebenfalls das DHS oder ein ?quivalentes Zertifikat fordert [5].

Obwohl ausl?ndische Medizinstudierende ihre Deutschkenntnisse im Vergleich zu anderen F?chern als am h?chsten einstufen, scheinen die vorgeschriebenen Deutschpr?fungen eine ausreichende Sprachkompetenz nicht immer sicherzustellen [6]. Ein ausl?ndischer Studierender, der die deutsche Approbation als Arzt erh?lt, sollte jedoch in der Lage sein, sich ad?quat auszudr?cken und soweit ?ber kommunikative F?higkeiten verf?gen, wie es der medizinische Alltag in seiner Komplexit?t und Differenziertheit erfordert.

Eine Sonderrolle spielen Gaststudenten, die nur f?r eine kurze Zeit, z.B. im Rahmen des ERASMUS-Programms oder des Bologna-Pozesses an einer deutschen Universit?t verbringen [7]. Hier k?nnen nicht dieselben Ma?st?be angelegt werden, wie bei ausl?ndischen Studierenden, die ihre berufliche Zukunft in Deutschland planen.

Wir haben den Eindruck, dass Sprach- und Kulturbarrieren erst im klinischen Studienabschnitt und im Umgang mit Patienten und Praxis-, bzw. Krankenhauspersonal verst?rkt auffallen. Andererseits f?llt es medizinischen Pr?fern umso schwerer, Studierende durchfallen zu lassen, je weiter sie in ihrem Studium fortgeschritten sind. Das Ignorieren der Sprachprobleme im Verlauf des Studiums n?tzt dem einzelnen Studierenden nur vordergr?ndig, da die Problematik lediglich in die Weiterbildung verschoben wird. Man vergibt zudem die M?glichkeit, diese Studierenden bei der Verbesserung ihrer Sprachkompetenz fr?hzeitig zu unterst?tzen. (Die M?glichkeiten hier Unterst?tzung anzubieten sind allerdings oft gering [8]).

Sprache ist aber nur ein Aspekt der Problematik: ein anderer ist die von der Sprache h?ufig losgel?ste „augenscheinliche“ ethnische Zugeh?rigkeit.

Erhalten Studierende mit Migrationshintergrund systematisch schlechtere Bewertungen, sollte dies n?her untersucht werden. M?ndliche Pr?fungen oder die OSCE sind hier im Vergleich zu multiple Choice Pr?fungen (MCQ) in Bezug auf „?u?ere Merkmale“ besonders anf?llig [9]. MCQ vermeidet zwar diesen Bias, ist aber ebenfalls sprachabh?ngig. Einen Hinweis, dass Ausl?nder schlechter bewertet werden, liefert der Interfakult?tenvergleich der Physikumsergebnisse: so verschlechtert sich der Notendurchschnitt mit steigendem Ausl?nderanteil [10]. Diesem Thema wird in anderen L?ndern mehr Aufmerksamkeit geschenkt und es konnten Unterschiede gezeigt werden [11], [12]. Vergleiche von Noten und Karrierechancen zwischen ausl?ndischen und deutschen Studierenden (und ?rzten) sind der aktuellen Literatur nicht zu entnehmen.

Zwar steht im Mittelpunkt unseres Artikels die Spannung zwischen den sprachlichen Mindestanforderungen an Studierende mit Migrationshintergrund und m?glichen Benachteiligungen bei Pr?fungen, dennoch m?chten wir mit untenstehenden Thesen auf weitere Facetten der Problematik hinweisen:

  • Allgemeine Benachteiligungen: Ausl?ndische Studierende berichten den Autoren immer wieder ?ber gef?hlte Benachteiligungen oder sogar offene Abwertung, z.B. w?hrend Blockpraktika oder Famulaturen. Solche Untersuchungen fehlen bislang in Deutschland sowohl f?r alle Studierenden als auch im Vergleich [13].
  • Zulassung zum Medizinstudium: Die Folgen des universit?tsinternen Auswahlverfahren auf den Anteil „ausl?ndischer“ Studierender werden zu beobachten sein. In Gro?britannien z.B. wird die ethnische Zusammensetzung Medizinstudierender unabh?ngig von ihrer Staatsangeh?rigkeit regelm??ig untersucht, wobei Benachteiligungen bei der Zulassung zum Medizinstudium gezeigt werden konnten [14].
  • Rechtliche Benachteiligungen: Es bestehen selbst bei unbefristeter Aufenthaltsgenehmigung (je nach Herkunftsland unterschiedliche) juristische H?rden, z.B. bei der Erteilung der Berufserlaubnis oder Approbation f?r in Deutschland geborene Studierende ohne EU-Staatsb?rgerschaft [15].
  • Soziale Benachteiligungen: Ausl?ndische Studierende haben nur sehr eingeschr?nkt ein Recht auf F?rderung nach dem Bundesausbildungsf?rderungsgesetz (BAf?G) [16]. Ausl?ndische Medizinstudierende haben es daher auch schwerer, sich neben den Unterrichtsveranstaltungen die materielle Existenzgrundlage zu sichern [6].
  • Geringere Karriereaussichten: In Gro?britannien wurde eine Benachteiligung von „Ausl?ndern“ auf jeder Karrierestufe in der Medizin festgestellt [17].

Hilfestellung k?nnen hier evt. die lokalen Angebote der Studienberatung geben. Seit 2002 setzt sich der noch kleine Bundesverband ausl?ndischer Studierender f?r die Rechte ausl?ndischer Studierender in Deutschland ein [18].

Fazit

Wir wissen nur wenig ?ber ausl?ndische Medizinstudierende. Von den ca. 71.000 Medizinstudierenden im Wintersemester 2005-06 waren 9151 (13 %) Ausl?nder, davon ca. die H?lfte Bildungsinl?nder [19]. ?ber 15.000 ?rzte in Deutschland stammen laut Bundes?rztekammer aus dem Ausland [20]. In einer zunehmend multikulturellen und ethnisch diverseren Gesellschaft und einem zunehmenden Anteil Studierender und ?rzte mit ausl?ndischem Hintergrund besteht Forschungsbedarf auf diesem Gebiet.

Anmerkung

1 Begriff aus der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks.

Bei den Autoren besteht kein Interessenskonflikt im Sinne des International Committee of Medical Journal Editors.


Literatur

[1] Chenot JF, Fischer T, Simmenroth-Nayda A, Fassheber S, Hummers-Pradier E, Aut B, Kernbach-Wighton G, Emmert S, K?ntzel H, Klockgether-Radke AP, Kochen MM. Interdisziplin?rer Pilot-OSCE "Medizinische Basisf?higkeiten". Z Allgemeinmed. 2004;80:503-506.
[2] Koch A, Fischer T, Simmenroth-Nayda A, Scherer M, Emmert B, Kochen MM, Chenot JF. Sind Nicht-Muttersprachler bei der OSCE benachteiligt? GMS Z Med Ausbild. 2005;22(4):Doc150.
[3] Stephanie Rathje. Interkulturelle Kompetenz-Zustand und Zukunft eines umstrittenen Konzepts. Z Interkultur Fremdsprachenunter. 2006;11(3):21.
[4] daad [homepage im Internet]. Bonn: Deutscher Akademischer Austausch Dienst. Zug?nglich unter: http://www.daad.de/deutschland/deutsch-lernen/wie-deutsch-lernen/00573.de.html.
[5] ZVS [hompage im Internet]. Dortmund: Zentralstelle f?r die Vergabe von Studienpl?tzen. Zug?nglich unter: http://www.zvs.de.
[6] Bundesministerium f?r Bildung und Forschung. Internationalisierung des Studiums: Ausl?ndische Studierende in Deutschland, Deutsche Studierende im Ausland. Berlin: Bundesministerium f?r Bildung und Forschung; 2005. Zug?nglich unter: http://deutschland.dasvonmorgen.de/pub/internationalisierung_des_studiums_2005.pdf.
[7] Europ?ische Kommission [homepage im Internet]. Berlin: Die Vertretung der Europ?ischen Kommission in Deutschland [update: 02.05.2006]. Zug?nglich unter: http://ec.europa.eu/education/programmes/socrates/erasmus/erasmus_en.html.
[8] Glardon C. Zur Konzeption eines interkulturellen Lernprogramms f?r Deutsch als Fachsprache im Bereich Medizin (Chirurgie). Z Interkultur Fremdsprachenunterricht. 2004;9:16.
[9] Wass V, Roberts C, Hoogenboom R, Jones R, Van der Vleuten C. Effect of ethnicity on performance in a final objective structured clinical examination: qualitative and quantitative study. BMJ. 2003;326(7393):800-803.
[10] van den Bussche H, Wegscheider K, Zimmermann T. Medizinische Fakult?ten: Der Ausbildungserfolg im Vergleich (II). Dtsch Arztebl. 2006;103(34-35):A2225-2228. Zug?nglich unter: http://www.aerzteblatt-studieren.de/doc.asp?docid=103819.
[11] McManus IC, Richards P, Winder BC, Sproston KA. Final examination performance of medical students from ethnic minorities. Med Educ. 1996;30:195-200.
[12] Fiscella K, Frankel R. Overcoming cultural barriers: international medical graduates in the United States. JAMA. 2000;283:1751.
[13] Frank E, Carrera JS, Stratton T, Bickel J, Nora LM. Experiences of belittlement and harassment and their correlates among medical students in the United States: longitudinal survey. BMJ. 2006:333(7570);682.
[14] British Medical Association [homepage im Internet]. The demography of medical schools a discussion paper. London: British Medical Association; 2004. Zug?nglich unter: http://www.bma.org.uk/ap.nsf/AttachmentsByTitle/PDFdemography/$FILE/demography.pdf.
[15] Murata H. Berufserlaubnis: Arzt zu werden ist nicht schwer... Dtsch. Arztebl. 1999;22:96.
[16] Bundesministerium f?r Bildung und Forschung [homepage im Internet]. Berlin: Bundesministerium f?r Bildung und Forschung. Zug?nglich unter: http://www.das-neue-bafoeg.de.
[17] McKenzie KJ. Racial discrimination in medicine. BMJ 1995;310(6978):478-479.
[18] Bundesverband ausl?ndischer Studierender (BAS) [homepage im Internet]. Trier: Bundesverband ausl?ndischer Studierender (BAS) e.V. Zug?nglich unter: http://www.bas-ev.de/.
[19] Statistisches Bundesamt [homepage im Internet]. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt Deutschland. Zug?nglich unter: http://www.destatis.de/themen/d/thm_bildung.php.
[20] Bundes?rztekammer [homepage im Internet]. Berlin: Bundes?rztekammer. Zug?nglich unter: www.bundesaerztekammer.de/30/Aerztestatistik/100Archiv/05Aesta99/199980.html.